Wolfnag Niedecken wird 70 Jahre alt Rente für Niedecken? „Nicht solang ich noch kann“

Köln · BAP-Kopf Wolfgang Niedecken wird an diesem Dienstag 70 Jahre alt. Pläne hat er einige – aber Corona lässt ihn an ihrer Verwirklichung zweifeln.

 Wolfgang Niedecken auf dem Kölner Südfriedhof am Grab seiner Eltern Tinny und Josef.

Wolfgang Niedecken auf dem Kölner Südfriedhof am Grab seiner Eltern Tinny und Josef.

Foto: dpa/Oliver Berg

Wolfgang Niedecken lehnt an dem Grabstein wie an einer Theke. Ganz entspannt. „Tja“, sagt er. „Die Mamm und der Bapp.“ Beide liegen sie hier: Mama Tinny und Papa Josef Niedecken. Sie starb 2000, er 1980. Die Gruppe trägt seinen Namen: „Bapp“ ist das kölsche Wort für „Papa“, nur das zweite „p“ wurde weggelassen. Zustande gekommen ist der Name, weil der Sohn beim Proben so viele Geschichten über die Sparsamkeit seines Vaters erzählte.

An diesem Dienstag wird Niedecken 70. „Ich hab‘s überhaupt nicht mit Zahlen. Klar, mit 70 denkt man sich: Mal sehen, wie lang‘s noch weitergeht.“ Es ist ihm nicht anzusehen, dass er vor zehn Jahren einen  Schlaganfall erlitten hat. Damals hätte nicht viel gefehlt, und er wäre schon mit 60 von der Bühne abgetreten. „Ich wäre nicht beruhigt gestorben“, schreibt er am Ende seiner Erinnerungen. „Der Tod hätte mich auf dem falschen Fuß erwischt.“ Alles was seitdem noch gekommen ist, betrachtet er als Zugabe. Und das ist mittlerweile so einiges: 2013 das Solo-Album „Zosamme alt“, aufgenommen in Woodstock, 2014 die Unplugged-Tour von BAP, 2016 das BAP-Album „Lebenslänglich“ und dann die Tour zum 40. Bandjubiläum. 2017 spielte Niedecken in New Orleans das „Familienalbum“ ein mit lauter Songs über seine Verwandtschaft, begleitet von der Tournee „Strooßekööter“.

Wichtiger aber als der berufliche Erfolg ist ihm die Familie. Von seiner Frau Tina sagt er, dass sie sein Schutzengel sei, seine Lebensretterin. Denn sie war es, die 2011 die ersten Anzeichen des Schlaganfalls sofort richtig deutete und den Notarzt alarmierte. Nicht auszudenken, was er andernfalls womöglich verpasst hätte. Erst vor einem Jahr hat er binnen neun Tagen zwei Enkel bekommen: Noah und Quinn. „Wenn wir morgens wach werden, ist erstmal Noah-TV angesagt.“ Den sozialen Netzwerken sei Dank.

Die letzten Strahlen der Nachmittagssonne fallen aufs Grab. Für BAP-Fans ein legendärer Ort, denn die wohl bekannteste Zeile aus dem Gesamtwerk der Band lautet: „Verdammp lang her, dat ich bei dir ahm Jraav wohr“, „Verdammt lang her, dass ich bei dir am Grab war“. Der Song beschreibt das schwierige Verhältnis zu seinem Vater, der von den künstlerischen Ambitionen des Sohnes nichts hielt. „Ein herzensguter Mensch“, sagt er über ihn. „Hat sich immer nur Sorgen um mich gemacht. Alles, womit wir aneinandergeraten sind, geht im Prinzip darauf zurück.“ Seit er selbst Vater ist – seit immerhin 38 Jahren – kann er das nachvollziehen.

„Tag Herr Niedecken!“, grüßt eine Frau, die das Grab passiert. Solche Begegnungen hat er ständig im Kölschen Kosmos, er ist zu einer Art Lokalpatron geworden. Aber daneben hatte er immer auch den Drang nach draußen. Das war schon in den 50er Jahren so, als der kleine Junge auf der Südbrücke stand und den Rheinschiffen nachsah. Besonders eng ist die Verbindung zu den USA, der Heimat seines großen Vorbilds Bob Dylan. Gerade ist ein neues Buch von ihm erschienen, in dem er seine Treffen mit dem Songwriter beschreibt und auf seinen Spuren Amerika bereist.

Ob er nochmal auf Tour geht? Wegen der Pandemie musste er im September 2020 die Präsentation des BAP-Albums „Alles fließt“ ebenso absagen wie jetzt den geplanten Auftritt an seinem 70. Geburtstag in der Kölner Lanxess-Arena. Ein Online-Auftritt ist für ihn keine Alternative. „Dann lieber verschieben. Ich denke, wir machen nächstes Jahr 70a.“ Am 30. März 2022 also. Dann soll die „Schließlich unendlich“-Tour losgehen. „Ich hoffe sehr, dass das möglich sein wird. Aber 100-prozentig sicher bin ich mir nicht, es muss auf jeden Fall wirtschaftlich sein. Tourneen sind mittlerweile das Einzige, wovon man als Künstler noch leben kann. Bei den Tonträgern herrscht Raubrittertum.“

In der Nachmittagssonne geht‘s zurück über den Kölner Südfriedhof. Wann ist bei ihm Schluss im Sinne von Abschied, Rückzug, Rente? „Nicht solang ich noch kann.“ Das nächste Jubiläum ist in Sicht: 2026 wird BAP 50 Jahre alt. Haben die Stones doch auch längst geschafft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort