Gendenkfeier Schüler erinnern an Nazi-Terror vor 80 Jahren

Losheim am See · Für die Gedenkfeier zur Reichpogromnacht 1938 hatte sich die Klasse 11b der Peter-Dewes-Gemeinschaftsschule vorbereitet.

  Diese „Stolpersteine“ erinnern an die jüdische Familie Hanau. Foto: Dieter Ackermann

Diese „Stolpersteine“ erinnern an die jüdische Familie Hanau. Foto: Dieter Ackermann

Foto: Dieter Ackermann

Man hört das Zerbersten von Scheiben. „Papi, Papi – was machen die da? Warum schmeißen die die Möbel aus dem Haus? Habe sie etwas getan? Müssen wir auch Angst haben? Können wir denen irgendwie helfen?“ Die Szene vor dem Haus in der Diedenhofener Straße 53 in Losheim ruft in ebenso bedrückender wie realistischer Weise das tatsächliche Geschehen an jenem schicksalhaften Novembertag des Jahres 1938 in Erinnerung, das sich schließlich in ganz Deutschland zur dramatischen Reichspogromnacht aufheizte.

Dass damals die Gewaltexzesse der Nazis nicht nur Synagogen und Geschäfte jüdischer Eigentümer in den Großstädten in Flammen aufgehen ließen, dass sich diese Gewaltherrschaft vielmehr auch im beschaulichen Losheim am See manifestierte, das dokumentierte die Klasse 11b der Peter-Dewes-Gemeinschaftsschule dort, wo heute schlichte „Stolpersteine“ still an die Reichspogromnacht erinnern.

Vor der einstigen Betriebshalle der Merzig-Büschfelder-Eisenbahn (heute Eisenbahnhalle Losheim) begann dieser „Zeitsprung“ mit einer etwas anderen Gedenkfeier als üblich. Bürgermeister Lothar Christ begrüßte dort neben weiteren Vertretern der Verwaltung, insbesondere die Schülergruppe der Peter-Dewes-Gemeinschaftsschule, die sich seit einigen Wochen mit einer individuellen Aufarbeitung der Geschehnisse vor 80 Jahren beschäftigt hatte. Leider konnte die Geschichtslehrerin Iris Maurer, unter deren Regie die Vorarbeiten absolviert worden waren, wegen Erkrankung nicht teilnehmen. Sie wurde vertreten von ihren Kollegen Nicole Schmitt und Johannes Dewald.

Auch der Bürgermeister hatte sich offensichtlich sorgfältig mit der Reichspogromnacht in seiner Heimatstadt auseinandergesetzt. Christ erinnerte daran, dass am Morgen des 10. November 1938 der NSDAP-Bevollmächtigte vor der MBE-Halle örtliche SA-Mitglieder für eine Aktion gegen die Losheimer Juden mobilisierte. Drei stramme Parteimitglieder seien dann zum Haus der jüdischen Familie Herrmann in der Diedenhofener Straße 53 vorgeschickt worden, die dort schon mal Scheiben einwarfen und Türen eintraten. Ein örtlicher Polizeibeamter habe der dortigen Randale tatenlos zugesehen: „Der musste wohl nur darauf achten, dass kein Feuer gelegt wurde, das die Häuser der nichtjüdischen Nachbarn hätte in Mitleidenschaft ziehen können.“

Auf dem selben Weg, den der Nazi-Mob vor 80 Jahren vermutlich von der Eisenbahnhalle zur Diedenhofener Straße genommen hatte, folgten die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung dem Bürgermeister zu der Stelle, wo einst das Haus der jüdischen Familie Herrmann gestanden hatte.

Und jetzt kamen die bestens vorbereiteten Schülerinnen und Schüler zum Zuge. Während aus mitgebrachten Lautsprechern die einstigen Gewaltszenen akustisch nachempfunden wurden, erläuterte ein Schüler nüchtern und weitgehend emotionslos das dramatische Geschehen: „Mit einem Stuhlbein wurde Silwin Herrmann geprügelt und auf den Kopf geschlagen.“ Seine jüdische Frau sei weinend und schreiend auf der Straße umhergelaufen und habe die Nachbarn gefragt, was sie denn verbrochen hätten.

Erschreckend emotional waren dagegen die von anderen Schülerinnen und Schüler vorgelesenen Zitate dieser Nachbarn. „Was passiert bei den Herrmanns? Warum muss so was Schreckliches ausgerechnet ihnen passieren? Sie haben nie jemandem etwas getan.“ Auch der damalige Zeitgeist kam dabei zum Ausdruck: „Aber wir können uns nicht selbst in Gefahr bringen!“ Dabei richteten sich viele Blicke immer wieder auf die beiden „Stolpersteine“, die heute daran erinnern, dass Sylwin Herrmann und seine Frau schließlich in Theresienstadt und in Holland den Tod fanden.

Dann zog die Gruppe weiter zur Hochwaldstraße 33, wo die jüdische Familie Bernhard und Babette Hanau vor acht Jahrzehnten vom Nazi-Mob heimgesucht wurde. Auch dort sorgten brutale Zerstörungswut und körperliche Gewalt gegen die betroffene Familie unter den Augen vieler Zeugen für verständnisloses Entsetzen. Immerhin halfen einige Freunde der Familie an den Tagen nach der Reichspogromnacht beim Aufräumen. Letztlich wurden aber auch Bernhard und Babette Hanau 1942 im Treblika ermordet.

Nachdem die Jugendlichen der Peter-Dewes-Gemeinschaftsschule auch hier mit bedrückenden Szenen das damalige Geschehen nachempfunden hatten, folgten alle der Einladung des Bürgermeisters ins Foyer des Saalbaus. Dort bot sich bei einem abschließenden Gespräch mit einigen Erfrischungsgetränken Gelegenheit, diese eindrucksvollen Schüler-Beiträge wider das Vergessen noch einmal Revue passieren zu lassen.

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