Leitartikel Liga sollte sich nicht weiter von den Fans entfremden

Heute beginnt mit dem Spiel des FC Bayern München gegen Bayer Leverkusen die 55. Bundesliga-Saison. Aber die Gesprächsthemen drehen sich diesmal nicht um den streikenden Dembélé, den dauer-maladen HSV oder darum, mit wie vielen Punkten Vorsprung die Bayern diesmal Meister werden. Die sich ständig weiterdrehende Schraube der Kommerzialisierung stört immer mehr Fans, nachdem die Ultras viele Auswüchse des Profifußballs schon seit Jahren anprangern.

Leitartikel: Liga sollte sich nicht weiter von den Fans entfremden
Foto: SZ/Robby Lorenz

Heute beginnt mit dem Spiel des FC Bayern München gegen Bayer Leverkusen die 55. Bundesliga-Saison. Aber die Gesprächsthemen drehen sich diesmal nicht um den streikenden Dembélé, den dauer-maladen HSV oder darum, mit wie vielen Punkten Vorsprung die Bayern diesmal Meister werden.  Die sich ständig weiterdrehende Schraube der Kommerzialisierung stört immer mehr Fans, nachdem die Ultras viele Auswüchse des Profifußballs schon seit Jahren anprangern.

Die Liste der Kritikpunkte ist lang. Von  Helene Fischers Auftritt beim Pokalfinale über die chinesische U20 in der Regionalliga Südwest. Von einem Bundesliga-Verein, der eigentlich Marketing-Produkt des Getränkehersteller Red Bull ist, über immer weniger Mitspracherechte. Von dreistelligen Millionen-Wechseln und Regionalligen, aus denen niemand aufsteigt, über die zunehmende Zerstückelung der Spieltage samt Fan-unfreundlicher Anstoßzeiten. Freiburgs Trainer Christian Streich bringt es auf und den Punkt und spricht den Fans aus den Herzen, wenn er mahnt: „Der Gott des Geldes wird immer größer.  Und irgendwann verschlingt er alles. Aber die meisten werden es erst merken, wenn alles verschlungen wird.“

Das allgemeine Unbehagen und die Entfremdung von den Vereinen sind schon lange auch beim normalen Fan und Zuschauer angekommen. Besonders groß ist der Unmut bei der Speerspitze der aktiven Fans, den Ultras. Die begannen eine neue Stufe des Konflikts gegen den Deutschen Fußball-Bund sowie einige Vereine auf der anderen Seite, als die Fans von Dynamo Dresden mit martialischem Auftreten zum „Krieg gegen den DFB“ aufriefen. Wenn dann noch wie in Hannover sich Vereinschef Martin Kind zum Alleinherrscher aufschwingen will, dreht sich die Eskalationsspirale immer schneller. Die Lage ist brisant

Das Gesprächsangebot des bisher der Gewalt oftmals hilflos gegenüberstehenden DFB kam überraschend. Mitsamt der Ankündigung, auf Kollektivstrafen mit gesperrten Stadien und Kurven zu verzichten, die auch Unschuldige treffen, ist es ein kluger und bemerkenswerter Schritt. Trotz Szenen beim Pokalspiel zwischen Rostock und Hertha BSC geht der Verband auf die Hardcore-Fans zu. Es könnte ein Einstieg in einen offenen und ehrlichen Dialog zwischen Fans und Institutionen sein. Vertrauen aufzubauen, Missverständnisse auszuräumen. Den vermissten die Ultras lange. Dafür sehen viele sie jetzt  in der Pflicht, auf Gewalt oder Pyrotechnik mal eine Weile zu verzichten.

Kommerzialisierung hin oder her: Jeder einzelne Fan kann sich ja auch dagegen wenden. Indem er einfach nicht mehr mitmacht.  Das Stadion und das Fernsehspiel verweigert, vielleicht stattdessen den heimischen Kreisligisten unterstützt. Noch mehr würde es die enttäuschten und frustrierten Anhänger aber sicher freuen, wenn es ihnen in Zusammenarbeit mit Vereinen und Verbänden gelänge, die „Zivilisationskrankheiten“ des Volkssports Nummer eins wenigstens ein bisschen zu kurieren.

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