Kinder-Medien-Studie Die Mischung macht’s – auch bei der Bildung

Meinung · Kinderbuch statt Facebook? Glaubt man der ersten Kinder-Medien-Studie zum Konsumverhalten deutscher Kinder zwischen vier und 13 Jahren, greifen fast drei Viertel von ihnen mehrmals pro Woche zu Papier. So weit der Befund. Natürlich kann man sich fragen, ob die Ergebnisse von 2000 Interviews tatsächlich auf die Gewohnheiten von 7,17 Millionen Kindern übertragbar sind. Immerhin: Die Befragung war laut Organisatoren so angelegt, dass die soziale Herkunft repräsentativ abgebildet wird. Ein Ansatz, der die Aussagekraft der Stichprobe erhöht.

Für viele – nicht nur für Eltern – ist das Studienergebnis ein Grund zum Aufatmen. Denn der digitale Raum ist für die meisten noch ein Bildungsraum zweiter Klasse. Warum das nach wie vor so ist, darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Hier mischen sich Nostalgie und Gewohnheit mit berechtigter Skepsis. Einerseits erfüllen Online-Medien oft noch nicht den Qualitätsanspruch, dem Printmedien gerecht werden müssen, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit nicht einbüßen wollen. Auf der anderen Seite hat ein Kind, das stundenlang am Computer sitzt, viel mehr potenzielle Ablenkung, als wenn es in einem Buch blättert. Unter anderem deshalb hat das Traditionelle im digitalen Zeitalter nicht ausgedient. Und wird es auch so schnell nicht – an dieser Stelle ein Gruß an diejenigen, die seit Jahren voller Überzeugung das baldige Ende des gedruckten Buches prophezeien.

Das Klischee vom Teeanager, der sich nur für Spielekonsolen, Online-Serien und Soziale Netzwerke interessiert, fußt auf einer Teilrealität. Inwieweit das Klischee greift, darauf haben Schule und Elternhaus Einfluss. Zwei Instanzen, die trotz gerechtfertigter Vorbehalte gegenüber Online-Medien gut daran täten, wenn sie sich nicht den digitalen Bildungschancen  verschließen. Das haben einige Schulen bereits besser verinnerlicht als so manche Eltern, und das ist auch gut so. Hier gilt wie so oft im Leben: Die Mischung macht’s.

Dass die meisten Eltern Wert darauf legen, dass das eigene Kind Bücher liest und sich mit Freunden trifft, ist verständlich. Deshalb beruhigt es auch, dass laut Studie für die Heranwachsenden Freundschaften nach wie vor von Bedeutung sind. Das ist vielleicht noch wichtiger als die Frage danach, welches Medium für das Kindeswohl letztendlich am förderlichsten ist. Denn die sozialen Kompetenzen, die die Basis für ein gutes gesellschaftliches Miteinander sind, erlernt ein Kind weder durch exzessive Bücherlektüre noch durch permanenten Video-Spiele-Konsum. Deshalb sollte man die digitale Welt auch immer wieder unter sozialen Gesichtspunkten bewerten und hinterfragen: Zwischenmenschliche Bindungen drohen zwar dann zu verkümmern, wenn nur noch Whatsapp-Nachrichten verschickt werden, statt mal anzurufen oder sich persönlich zu treffen. Wenn ein Kind aber die digitalen Chancen nutzt und weiterhin das „wahre“ Leben kennt jenseits seiner Kopie auf Facebook, dann ist es letztlich zweitrangig, ob es lieber ein E-Book oder auf Papier liest.

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