"Krieg" der Atom-Giganten

Paris. "Sie sind dabei, Selbstmord zu begehen", klagt Senator Ladislas Poniatowski. Sie, das sind die beiden Prunkstücke der französischen Atomindustrie: der Reaktorbauer Areva und der Meiler-Betreiber und Strom-Riese EDF

Paris. "Sie sind dabei, Selbstmord zu begehen", klagt Senator Ladislas Poniatowski. Sie, das sind die beiden Prunkstücke der französischen Atomindustrie: der Reaktorbauer Areva und der Meiler-Betreiber und Strom-Riese EDF. Deren Chefs, Anne Lauvergeon (Foto: afp) und Henri Proglio (Foto: afp), haben sich derart ineinander verbissen, dass die Pariser Presse von einem "offenen Krieg" spricht. Proglio hatte den Kampf im November eröffnet. Noch vor seiner Ernennung zum EDF-Chef forderte er die Zerschlagung von Areva und die Führung der Atomwirtschaft durch EDF. Der Mann des Präsidenten Nicolas Sarkozy war sich seiner Sache sicher. Doch Lauvergeon kämpft wie eine Löwin um Areva. Der Konzern, der vom Uranbergbau über den Reaktorbau und die Herstellung und Aufbereitung von Kernbrennstoffen den ganzen Atomkreislauf beherrscht, ist ihr Baby. Sie hatte ihn mit der Fusion mehrerer Konzerne geschaffen. Die politikerfahrene Blondine, zeigte ihre Krallen: Areva stellte zeitweise die Lieferung von Kernbrennstoff für die 58 EDF-Reaktoren ein und stoppte die Abnahme des ausgebrannten Urans. Areva begründet die Kampfmaßnahmen damit, dass EDF Verträge über 850 Millionen bis eine Milliarde Euro zur Aufbereitung des Brennstoffes nicht unterschrieben hat. EDF will die ursprünglich vereinbarte Menge von 1050 auf 850 Tonnen senken und den Preis drücken. Kampfeslustig verlangte Lauvergeon öffentlich die Schlichtung durch den Staat. Proglio wehrte sich und warf Areva vor, verantwortlich für den Verlust eines Jahrhundert-Auftrags im Wert von 20 Milliarden Euro für die französische Atomwirtschaft zu sein. Dabei geht es um Reaktoren für Abu Dhabi. Die Scheichs hatten überraschend in Korea bestellt - und damit ein Drittel gespart. Areva habe den Auftrag vermasselt, mäkelt Proglios Seite. EDF habe sich zur Zusammenarbeit tragen lassen, schnarrt Lauvergeon zurück. Eisiger kann eine Atmosphäre zwischen Unternehmen, die füreinander jeweils die wichtigsten Industriepartner sind, nicht sein. Zweites Schlachtfeld ist der Europäische Druckwasserreaktor EPR. Areva baut den ersten EPR in Finnland. Das Projekt liegt drei Jahre hinter und fast drei Milliarden Euro über dem Plan - ein Desaster, für das Lauvergeon verantwortlich gemacht wird. EDF baut den zweiten EPR in Frankreich. Medienberichten zufolge liegt das Projekt zwei Jahre hinter dem Plan und sprengt auch den Kostenplan. Jetzt eröffnen die Medien eine weitere Front gegen Proglio. Er soll als Doppelverdiener mehr als zwei Millionen Euro pro Jahr kassieren. Die Regierung hat ihm 1,6 Millionen Euro als EDF-Chef zugestanden, obwohl sein Vorgänger "nur" eine Million kassierte. Zudem darf Proglio Präsident des Verwaltungsrates des Verkehrs- und Versorgerkonzerns Veolia bleiben und dafür 450 000 Euro kassieren. Proglios Ruf leidet. Doch nach wie vor ist ungewiss, wer den Kampf der Konzerne gewinnt.

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