Im Panikring

Saarbrücken. Als die beiden amerikanischen Filmstudenten Daniel Myrick und Eduardo Sánchez vor elf Jahren ihre Low-Budget-Produktion "Blair Witch Project" - sie kostete 60 000 Dollar - in die Kinos brachten, wurde daraus einer der spektakulärsten Erfolge der jüngeren Filmgeschichte

Saarbrücken. Als die beiden amerikanischen Filmstudenten Daniel Myrick und Eduardo Sánchez vor elf Jahren ihre Low-Budget-Produktion "Blair Witch Project" - sie kostete 60 000 Dollar - in die Kinos brachten, wurde daraus einer der spektakulärsten Erfolge der jüngeren Filmgeschichte. Eine vorab von beiden gezielt lancierte, raffinierte Internetkampagne hatte offen gelassen, ob es sich bei den Amateuraufnahmen, aus denen der Film bestand, um dokumentarisches Material handelte. So wurde der Horror gewissermaßen durch die Hintertür zu einem Teil unserer horriblen Realität deklariert.

"Blair Witch Project" handelte von drei Studenten, die im Oktober 1994 in einem unwegsamen Waldgebiet in Maryland, wo sie eine Doku über die Hintergründe der Sage einer "Blair-Hexe" drehen wollten, für immer verschwanden. Nur ihr Filmmaterial, suggerierten Myrick/Sánchez, fand sich später. Jedenfalls saß man damals regungslos im Kino und war sicher, nicht wieder allein im Dunkeln in den Wald zu gehen.

Während der Film das Dickicht dunkler Wälder als Labyrinth ohne Ausweg in Szene setzte, macht dessen Bühnenadaption in der Saarbrücker Sparte 4 - Premiere war am Sonntag - das vermutlich einzig Richtige: Sie verzichtet auf jedes Bühnenbild. Es wäre ja auch albern, mit ein paar Pappbäumen eine Drohkulisse aufbauen zu wollen.

Dass der Abend gleichwohl - je mehr Regisseur Felix Rothenhäusler auf (wenn auch wohldosierte) komödiantische Aufhellungsmittelchen verzichtet - etwas Beklemmendes gewinnt, ist das vielleicht Erstaunlichste dieser Werkstattinszenierung (Dramaturgie: Christoph Diem). Irgendwann nämlich wird aus dieser szenischen Versuchsanordnung reines Schauspielertheater.

Das Unterfangen ist ja kein Leichtes: Auf der leergeräumten, hell ausgeleuchteten, von dem zweigeteilten Zuschauerraum eingefassten Mini-Bühne soll sich eine abgründige Expedition abspielen, die in völliger Desorientierung und Panik endet. Die immer existenzieller werdende Verwirrung übersetzt Regisseur Rothenhäusler, notorisch in nervöse Bewegungsmuster und entsetzte Blicke - wobei er die Kernidee auf Dauer etwas überbeansprucht. Dass das Funktionsmuster des "Blair Witch Project"-Stoffs aber doch passabel aufgeht, uns den Albtraum in wohlkalkulierten Angstdosen allein textlich zu injizieren, verdankt sich dem nicht zuletzt gerade in seinen wortlosen Anteilen intensiven Spiel der Schauspieler.

Katharina Ley in der Rolle der vogelscheuchenartigen Hobbyregisseurin Heather hyperventiliert und behält auch dann noch eine beinahe kindliche Zuversicht in die mögliche Harmlosigkeit des ungreifbaren Grauens, als ihre die Mini-Filmcrew abgebenden beiden Freunde - dargestellt von Andreas Anke (Josh) und Benjamin Bieber (Mike) - längst die Nerven verlieren. Während Ley ihre Figur eher karikiert, laden Bieber und zum Ende hin vor allem der unentwegt Äste zerbrechende Anke die ihren explosiv auf. Auch wenn sie Mike und Josh eher innerlich implodieren als aus der Haut fahren lassen. Fazit: 90 weitgehend empfehlenswerte Minuten.

Nächste Termine heute sowie am 21. und 27. 11. jeweils um 20 Uhr. Infos: www.sparte4.de

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