Ein Traumjahr für den Handel

Düsseldorf · Wenn das Geld keine Zinsen bringt, kann man es besser ausgeben. Das denken offenbar viele Bundesbürger. Der Einzelhandel hat deshalb wohl 2015 das größte Umsatzplus seit über 20 Jahren erzielt Doch eine Branche hatte nichts von der Konsumlust.

Der Arbeitsmarkt brummt. Die Löhne steigen. Und Zinsen fürs Sparen gibt es kaum noch. Da geben die Deutschen ihr Geld lieber aus. Die Folge: Der Einzelhandel dürfte 2015 das größte Umsatzplus seit mehr als 20 Jahren verzeichnen. "Wir sehen einen klaren Trend, der Verbraucher gönnt sich mehr", meint Wolfgang Adlwarth von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Nach der gestern veröffentlichten Prognose des Statistischen Bundesamtes (Destatis) dürfte der Einzelhandel im vergangenen Jahr ein reales Wachstum zwischen 2,8 und 3,1 Prozent erzielt haben. Dies wäre das größte Umsatzplus seit 1994.

Doch profitierten längst nicht alle Branchen gleichermaßen von der Kauflust. Größter Gewinner war nach den aktuell vorliegenden Zahlen erneut der Online-Handel, der zwischen Januar und November Umsatzzuwächse von mehr als neun Prozent verzeichnete. Mittlerweile würden auch immer mehr Produkte des täglichen Bedarfs über das Netz gekauft, berichtete der Präsident des Bundesverbandes Onlinehandel, Oliver Prothmann. "Es ist keine Besonderheit mehr, Waren vom Klopapier über die neue Zahnbürste bis hin zu Lebensmitteln online einzukaufen."

Doch auch im Lebensmittelhandel liefen die Geschäfte mit einem realen Umsatzplus von 2,4 Prozent gut. "Wir sehen das erste Mal seit Jahren, dass die preisgünstigen Handelsmarken verlieren und die teureren Markenartikel gewinnen", sagte GfK-Experte Adlwarth. Auch Einrichtungsgegenstände, Haushaltsgeräte, Bücher und Schmuck standen weit oben auf der Wunschliste der Verbraucher.

An einer Branche ging der Shopping-Boom aber vorbei: dem Textilhandel. Nach Angaben der Statistiker lag das reale Umsatzplus im Bereich Textilien, Schuhe und Lederwaren in den ersten elf Monaten 2015 nur bei 0,1 Prozent. Schuld daran ist Branchenkennern zufolge vor allem das Wetter. "Der milde Winter war ein Tsunami", urteilt der Hauptgeschäftsführer des Modeverbandes German Fashion, Thomas Rasch. Doch mache sich auch ein schleichender Bedeutungsverlust der Mode im Bewusstsein vieler Kunden bemerkbar, fügt er hinzu. Verbrauchern seien neue Handys oder Reisen zunehmend wichtiger als eine neue Garderobe.

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