Der Raum? Er bleibt eine Illusion

Wolfsburg. Die künstlerische Karriere ist ihm in die Wiege gelegt worden. Als Alberto Giacometti am 10. Oktober 1901 zur Welt kommt, gilt sein Vater, Giovanni Giacometti, als wichtiger Vertreter des Post-Impressionismus. Sein Taufpate, der Maler Ferdinand Hodler, war damals einer der berühmtesten Künstler Europas

 Diese Skulptur Giacomettis namens "L'Homme qui marche I" wurde bei Sotheby's für 65 Millionen Pfund versteigert. Fotos: dpa

Diese Skulptur Giacomettis namens "L'Homme qui marche I" wurde bei Sotheby's für 65 Millionen Pfund versteigert. Fotos: dpa

Wolfsburg. Die künstlerische Karriere ist ihm in die Wiege gelegt worden. Als Alberto Giacometti am 10. Oktober 1901 zur Welt kommt, gilt sein Vater, Giovanni Giacometti, als wichtiger Vertreter des Post-Impressionismus. Sein Taufpate, der Maler Ferdinand Hodler, war damals einer der berühmtesten Künstler Europas. Das Umfeld stimmte also, und die Veranlagung des Jungen aus dem italienischsprachigen Schweizer Bergell-Tal offenbar auch. Mit 14 beginnt Alberto Giacometti zu malen, mit 15 fertigt er erste Skulpturen an, als 19-Jähriger nimmt er in Genf ein Kunststudium auf, das er in Paris fortsetzt. Heute gilt der 1966 verstorbene Maler und Bildhauer als einer der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Der teuerste ist er seit Februar 2010 sowieso: Ein Abguss seiner lebensgroßen Plastik "L'Homme qui marche I" wurde bei Sotheby's in London für die Rekordsumme von 65 Millionen Pfund versteigert.

Entsprechend groß dürfte also in den nächsten drei Monaten die Aufmerksamkeit sein, die das Kunstmuseum Wolfsburg mit der Ausstellung "Alberto Giacometti - Der Ursprung des Raumes" auf das Spätwerk des Schöpfers dünner Menschendarstellungen auf Leinwand und in Bronze zieht. 60 Skulpturen, 30 Gemälde sowie etliche Zeichnungen sind zu sehen.

Die Schau konzentriert sich vor allem auf die Präsenz seiner Skulpturen im Raum. Wie in einer Versuchsanordnung zeigt die Ausstellung Bronzen der unterschiedlichsten Dimensionen in überwiegend strahlend weiß gehaltenen Räumen. Neben konventionellen Kabinetten, bühnenartigen Inszenierungen und Räumen, in die man bloß hineinschauen kann, gibt es auch ein kreisrundes Kabinett mit einem Durchmesser von acht Metern. Von der 8,5 Zentimeter hohen Miniatur "Kleiner Mann auf Sockel" bis hin zur 2,77 Meter hohen Skulptur "Große Frau II" veranschaulicht die Ausstellung Giacomettis plastische Experimente mit Maßstäben, sein Spiel mit Ferne und Nähe. Im Laufe des Parcours ändern sich auch die Lichtstimmungen: Tageslicht, LED-Beleuchtung, museumstypische Leuchtstoffröhren, von weißen Stoffen gefiltertes Schummerlicht.

Museumsdirektor Markus Brüderlin hat sich offenbar nur schwer von den sphärisch-transzendenten Lichtinszenierungen des Amerikaners James Turrell trennen können, die zuletzt im Kunstmuseum zu sehen waren. Kleinstskulpturen Giacomettis inszeniert er gleich zum Auftakt der Schau auf bühnenartigen Podesten. Umhüllt von nebelartigem, weißem Licht, das die Konturen des Raumes im Unklaren lässt. So erhalten die Arbeiten eine Aura des Entrückten und maßstäblich kaum mehr Fassbaren. Einzelne Werke entfalten dadurch eine fast übersinnliche Präsenz.

Von 1926 bis zu seinem Tod arbeitete Giacometti bescheiden in seinem Pariser Atelier auf gerade einmal 25 Quadratmetern. Seine Vorstellung von Raum lebte er wohl eher in der Kunst aus als im realen Leben. 1949 notierte er: "Der Raum existiert nicht, man muss ihn schaffen. Jede Skulptur, die vom Raum ausgeht, als existiere er, ist falsch. Es gibt nur die Illusion des Raumes."

 Alberto Giacometti 1965.

Alberto Giacometti 1965.

Bis 6. März. Katalog: 38 €. www.kunstmuseum-wolfsburg.de, Tel. (0 53 61) 266 90.

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