Chance: Gedenkstätte für Saarländer jüdischer Herkunft

Saarbrücken. Etwa 5000 Juden waren während der NS-Zeit in Saarbrücken polizeilich gemeldet - das waren jene, die sich offen zu ihrer Religion bekannten. Die Zahl der "Viertel- oder Halbjuden", wie es in der perfiden Rassendiktion der Nazis hieß, war vermutlich wesentlich höher. Die Namen von etwa 2000 Saarbrücker Juden bewahrt eine (folglich unvollständige) Liste des Stadtarchivs

 Arne Menzels Entwurf sieht eine begehbare Beton-Stele vor, die ein zur Mitte hin abfallender Platz umgibt. Eisenplatten decken die Eingänge optisch ab. Foto: Dietze

Arne Menzels Entwurf sieht eine begehbare Beton-Stele vor, die ein zur Mitte hin abfallender Platz umgibt. Eisenplatten decken die Eingänge optisch ab. Foto: Dietze

Saarbrücken. Etwa 5000 Juden waren während der NS-Zeit in Saarbrücken polizeilich gemeldet - das waren jene, die sich offen zu ihrer Religion bekannten. Die Zahl der "Viertel- oder Halbjuden", wie es in der perfiden Rassendiktion der Nazis hieß, war vermutlich wesentlich höher. Die Namen von etwa 2000 Saarbrücker Juden bewahrt eine (folglich unvollständige) Liste des Stadtarchivs. Vielen gelang bis 1936 die Flucht nach Israel, Frankreich, in die USA. Wenige Exilanten kehrten nach '45 ins Saarland zurück.

Eine zentrale Gedenkstätte "für die saarländischen Juden und alle während der NS-Zeit Verfolgten, die mit dem Judentum in Verbindung gebracht wurden", so der Vorstand des Saarbrücker Vereins DenkmalMit!, Richard Borg, fehlt bis auf den heutigen Tag in der Landeshauptstadt (und im ganzen Bundesland). Gestern präsentierte der sich aus 20 Mitgliedern verschiedener Religionen rekrutierende Verein, der sich seit vier Jahren um ein solches Denkmal bemüht, nun einen Entwurf des Bildhauers Arne Menzel, Meisterschüler des Saarbrücker HBK-Professors Georg Winter. Menzel sieht eine hohlförmige Beton-Stele vor, deren vier Zugänge von abgeschrägten Eisenplatten optisch verdeckt werden, auf denen die Namen von Saarländern jüdischer Herkunft verzeichnet werden. Die begehbare Stele bestünde aus einem 1,5 mal 1,5 Meter großen Schacht, dessen einziger Fluchtpunkt ein Himmelsgeviert in 20 Meter Höhe wäre. Die Stele stünde an der zentralen Basis eines zur Mitte abfallenden quadratischen Platzes, der an einen umgekehrten Pyramidenstumpf erinnert.

Mit maximal 200 000 Euro berechnet Menzel die Kosten des Denkmals, für dessen baldige Realisierung der Verein nun bei den politisch Verantwortlichen werben will. Sie täten gut daran, sich der "Verantwortung der Erinnerung" zu stellen, an die der Rektor der Kunsthochschule, Ivica Maksimovic, gestern appellierte. Menzels Entwurf resultiert aus einem HBK-Projekt mit Studenten, das der Verein angeregt hatte.

Ein Erinnerungsort an die Vertreibungen fehlt im Saarland. Die KZ-Gedenkstätte Goldene Bremm erinnert an das gleichnamige politische Gefangenlager und Jochen Gerz' Unsichtbares Mahnmal auf dem Saarbrücker Schlossplatz versenkt die Namen jüdischer Friedhöfe. Grund genug, dieses rühmenswerte Bürgerprojekt nun zu verwirklichen und die einst Verstoßenen symbolhaft in die Gesellschaft aufzunehmen. Dies nicht an einem verschämten Rand, sondern in der Mitte.

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