Patrioten mit mosaischem Glauben

Saarbrücken. Wer deutsche Kriegsgräber-Friedhöfe im benachbarten Frankreich besucht, wird immer wieder zwischen den christlichen Kreuzen Stelen mit dem Davidstern, mit Namen, Dienstgrad und Todesdatum auf den Gräbern gefallener jüdischer Soldaten aus dem ersten Weltkrieg finden. "Hier ruht begraben..

Saarbrücken. Wer deutsche Kriegsgräber-Friedhöfe im benachbarten Frankreich besucht, wird immer wieder zwischen den christlichen Kreuzen Stelen mit dem Davidstern, mit Namen, Dienstgrad und Todesdatum auf den Gräbern gefallener jüdischer Soldaten aus dem ersten Weltkrieg finden. "Hier ruht begraben..." steht auf hebräisch auf den Naturstein-Stelen und der Spruch "Möge seine Seele eingeflochten sein in den Kreis der Lebenden". 100000 Deutsche jüdischen Glaubens kämpften im ersten Weltkrieg, 11500 hatten sich freiwillig gemeldet, nachdem die wichtigsten jüdischen Organisationen mit einem patriotischen Aufruf gefordert hatten: "Eilet freiwillig zu den Fahnen. Dass jeder deutsche Jude zu den Opfern an Gut und Blut bereit ist, die die Pflicht erheischt, ist selbstverständlich. Stellt Euch durch Hilfeleistung jeder Art und durch Hergabe von Geld und Gut in den Dienst des Vaterlandes". Und Kaiser Wilhelm II. appellierte am 4. August 1918 an seine Untertanen, "ohne Parteiunterschiede, ohne Standes- und Konfessionsunterschiede zusammenzuhalten (...), mit mir durch dick und dünn, durch Not und Tod zu gehen".Üble Nachrede empörtDie deutschen Juden verstanden sich als deutsche Patrioten: "Sie waren Juden, und sie kämpften für Kaiser und Vaterland", ist in einem Gedenkbuch nachzulesen, das 1932 vom "Reichsbund jüdischer Frontsoldaten" herausgegeben wurde. Das Buch ist eine späte Reaktion auf eine Anordnung des Kriegsministers Adolf Wild von Hohenborn, der 1916 eine statistische Erhebung über die Juden und ihre Kriegs-Einsätze in Auftrag gegeben hatte. Mit der Begründung, Juden seien "feige Drückeberger". Den Zähl-Erlass hat sein Nachfolger, Kriegsminister Herman von Stein, später zurückgezogen, weil "das Verhalten jüdischer Soldaten keine Veranlassung zu der Anordnung gegeben hat". Die Zählergebnisse der Erhebung blieben unveröffentlicht, angeblich weil sie "verheerend" waren. Vermutlich hatten sie aber nicht das erhoffte Ergebnis erbracht. Das patriotische deutsche Judentum war empört. Im deutschen Offizierskorps war Antisemitismus weit verbreitet. Der jüdische Statistiker und Demograf Franz Oppenheimer veröffentlichte 1922 seine umfangreiche Studie "Die Judenstatistik des Preußischen Kriegsministeriums". Demnach haben von 550000 deutschen Juden etwa 100000 am Krieg teilgenommen und 78000 an der Front gekämpft. 35000 wurden ausgezeichnet, 800 mit dem Eisernen Kreuz. 19000 wurden befördert, davon mehr als 2000 zu Offizieren, die 1100 Sanitätsoffizier und Militärbeamte nicht eingerechnet. Und 12000 jüdische deutsche Soldaten starben, irgendwo in Flandern oder Verdun. Die Zahlen belegen zudem, dass der Anteil jüdischer Soldaten und Frontkämpfer statistisch in etwa dem Anteil anderer Deutscher entsprach.

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