Brasiliens Präsidentin vor dem endgültigen Aus

Rio de Janeiro · Der brasilianische Senat hat ein deutliches Zeichen gesetzt, dass es für die von der Entmachtung bedrohte Präsidentin Dilma Rousseff keine Olympia-Pause gibt. In der Nacht zu Mittwoch beschloss das Oberhaus nach einer Marathon-Sitzung von rund 17 Stunden mit klarer Mehrheit, das Amtsenthebungsverfahren gegen die linke Staatschefin anzunehmen. 59 Senatoren stimmten dafür, 21 votierten dagegen.

Die Senatoren segneten damit ein Gutachten einer Sonderkommission ab, das vor einer Woche die Anklage gegen die derzeit wegen angeblicher Haushaltsmanipulationen suspendierte Rousseff empfohlen hatte. Der Schritt ist zunächst einmal nur eine formelle Notwendigkeit. Aber während der Olympischen Spiele ist es auch ein politisches Signal. Der Ausgang der eigentlichen Absetzung ist ohnehin absehbar. Für eine Amtsenthebung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, und diese erreichen die Rousseff-Gegner derzeit leicht. In diesem Fall würde der aktuell amtierende Übergangspräsident Michel Temer auch ganz formell zum Staatschef werden und das Mandat von Rousseff bis Ende 2018 weiterführen. Temer, ein blasser und konservativer Strippenzieher, war Rousseffs Vizepräsident.

Die Beratungen mit anschließender Abstimmung im Oberhaus beginnen vermutlich schon wenige Tage nach Ende der Olympischen Spiele am 21. August. Bis zum 2. September könnte der Entscheid dann vorliegen. Offenbar hat Temer Druck auf den Senat und seinen Präsidenten Renán Calheiros ausgeübt, damit das Verfahren früher beginnt. Temer möchte am 4. und 5. September am G-20-Gipfel im chinesischen Hangzhou nicht als Übergangspräsident, sondern als fest installierter Staatschef für die kommenden zwei Jahre teilnehmen. Temer war Anfang Mai nach Rousseffs Suspendierung in der Abgeordnetenkammer zunächst für 180 Tage zum Interimspräsidenten aufgestiegen.

Es ist umstritten, ob die Vorwürfe gegen Rousseff eine Amtsenthebung tragen. Sie soll Geld ohne Zustimmung des Kongresses ausgegeben und Haushaltszahlen geschönt haben. Viele brasilianische Juristen und Politiker sehen im Verfahren gegen die Präsidentin einen kalten Putsch. Sie solle aus dem Amt gedrängt werden, weil ihre Politik unpopulär und schlecht sei. In der Bevölkerung genießt sie sehr wenig Rückhalt. Aber auch Temer wird von großen Teilen der Bevölkerung abgelehnt. Bei den Olympischen Spielen kam es in den vergangenen Tagen auf den Rängen immer wieder zu politischen Protesten. So wurden Plakate in die Höhe gehalten, auf denen "Temer raus!" zu lesen war. Die Zuschauer wurden von der Polizei aus den Arenen entfernt, was ein Gericht inzwischen als rechtswidrig bezeichnet hat.

Eine Amtsenthebung von Rousseff, die in den 1970er Jahren die Folter in den Kerkern der Militärdiktatur überstanden hat, würde zum Ende von 13 Jahren linksgerichteter Regierungen in Brasilien führen.

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