Bewegung bei CO2-Zertifikaten

Brüssel. Die Reform zur Stabilisierung des kriselnden EU-Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten hat eine wichtige Hürde genommen. Die Pläne der EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard zum Zurückhalten von 900 Millionen CO2-Zertifikaten fanden gestern im federführenden Umweltausschuss des Europaparlaments eine Mehrheit

Brüssel. Die Reform zur Stabilisierung des kriselnden EU-Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten hat eine wichtige Hürde genommen. Die Pläne der EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard zum Zurückhalten von 900 Millionen CO2-Zertifikaten fanden gestern im federführenden Umweltausschuss des Europaparlaments eine Mehrheit.Parlamentarier aus den Reihen der Christdemokraten, Konservativen und Liberalen versuchten vergeblich, den geplanten Eingriff in den Emissionshandel zu verhindern. Mit der Reform sollen die Preise für Zertifikate wieder steigen. Sie hat auch einen Einfluss auf die deutschen Strompreise.

Denn durch den Preisverfall - bedingt auch durch viele kostenlos zugeteilte Zertifikate - werden die Einkaufspreise für Strom derzeit weiter gedrückt und besonders Kohlestrom bleibt lukrativ. Zugleich wächst die Differenz zwischen dem Strombörsenpreis und den festgelegten Vergütungssätzen für Solar- und Windstrom. Durch die höheren Differenzkosten droht die von allen Verbrauchern zu zahlende Ökostrom-Umlage weiter zu steigen. Eine Reform des Emissionshandels mit höheren CO2-Preisen kann den Endkundenpreis senken - das hängt mit den Berechnungseffekten der Umlage zusammen.

Wahrscheinlich noch im März sollen die 27 EU-Staaten über die Reformpläne entscheiden. Allerdings ist die Bundesregierung bisher blockiert - Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) ist für die Reform, Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) ist aus Sorge vor Zusatzbelastungen für die Industrie strikt dagegen.

Beim Emissionshandel müssen Firmen Ausstoßrechte für jede Tonne CO2 nachweisen. Zuletzt waren teils unter fünf Euro pro ausgestoßener Tonne CO2 zu zahlen; früher waren es knapp 30 Euro gewesen.

Die Opposition sieht in dem Votum höheren Druck auf die Regierung, sich zu einigen. Ohne Reform würden Anreize entfallen, in klimaschonende Anlagen zu investieren. Zudem verschärft sich gerade die Lage für klimafreundlichere, aber teurere Gaskraftwerke durch die "Kohle-Renaissance".

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisierte den geplanten Eingriff. "Das heutige Abstimmungsergebnis ist erneut Zeugnis von einem Doktern an Symptomen und nicht an Ursachen", sagte Holger Lösch, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. Auch die Wirtschaftsvereinigung Stahl hatte sich bereits am Montag ausdrücklich gegen das Backloading ausgesprochen.

Der Verband kommunaler Unternehmen dagegen begrüßt den Vorstoß aus Brüssel: "Das derzeitige Preisniveau bietet keinerlei Anreize für Investitionen in neue und emissionsarme Technologien", sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck. dpa

Meinung

System konterkariert

Von SZ-RedakteurJoachim Wollschläger

So war es eigentlich nicht gedacht: Der Handel mit Verschmutzungsrechten hat sich selber ad absurdum geführt, weil es sich bei dem Preisniveau kaum noch lohnt, Emissionen zu reduzieren. Schlimmer noch: Hocheffiziente Gaskraftwerke werden abgeschaltet, während alte Kohlekraftwerke am Netz bleiben. Brüssel kann gar nicht anders, als in den gescheiterten Markt einzugreifen. Die Proteste der Industrie sind zwiespältig, hatte sie doch stets auf die hohe EEG-Umlage geschimpft. Die könnte sich nun zwar wieder verringern. Allerdings wird sich auch der Strom-Börsenpreis wieder normalisieren.

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