Wechselt Blessing zu Volkswagen?

Dillingen/Völklingen · Die Dillinger Hütte und Saarstahl müssen sich trotz der weltweit immer stärker um sich greifenden Stahlkrise auf einen Wechsel an der Spitze einstellen. Vorstandschef Karlheinz Blessing soll neuer VW-Personalvorstand werden.

Die Nachricht schlug am Freitagnachmittag ein wie eine Bombe. Der Vorstandschef der Dillinger Hütte und Saarstahl, Karlheinz Blessing , wird als neuer Personalvorstand bei Volkswagen gehandelt. Vieles spricht dafür, dass er es auch wird. Denn bereits am kommenden Mittwoch soll der Aufsichtsrat in Wolfsburg die Personalie absegnen.

Blessing wäre nicht der erste Saarländer als Personalvorstand beim krisengeschüttelten Autobauer. Von 1993 bis 2005 saß auf diesem sehr einflussreichen Platz bereits Peter Hartz , der auch von der Dillinger Hütte kam und dort als Arbeitsdirektor mit neuen, flexiblen Arbeitszeitmodellen bundesweit auf sich aufmerksam machte. Hartz und Blessing pflegen ein dichtes Netzwerk zur sehr einflussreichen IG Metall , die bei der Berufung des Personalvorstandes mit ihrem Vorschlag meist den Ausschlag gibt.

Blessing wäre sicherlich geeignet, den Posten zu übernehmen. Er gilt als durchsetzungsstark, breit vernetzt, einflussreich bis in die Spitzen der Politik, aber zuweilen auch als rücksichtslos. Blessing müsste bei Volkswagen wohl hart durchgreifen. Das kann er. Zumal unklar ist, ob VW nicht in Folge von "Dieselgate" doch noch vor einem größeren Personalabbau steht.

Für die saarländische Stahlindustrie käme ein Wechsel von Blessing jedoch zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Der (Noch-)Chef hat es nämlich im Laufe der vergangenen Jahre geschafft, sämtliche Führungsstrukturen in den beiden Saar-Hütten auf nur noch eine Person zuzuschneiden: auf sich selbst. Gegner wurden abgesägt, kaltgestellt oder aus dem Amt getrieben. So kam es zu einem erbitterten Streit um die künftige Strategie zwischen ihm und dem damaligen Saarstahl-Vorstandschef Klaus Harste. Auch der hatte viele Freunde in der Saar-Wirtschaft und Landespolitik. Bekanntlich ist meist kein Platz für "zwei Alphatiere". Harste, der sich bei maßgeblichen Entscheidungen übergangen fühlte, warf das Handtuch und ist heute Chef der Max Aicher Unternehmensgruppe in Bayern, eines Stahlproduzenten.

Auch der Vorgänger von Karlheinz Blessing an der Spitze der Dillinger Hütte , Paul Belche, bekam den Druck zu spüren. Während Belche vor einem zu schnellen weltweiten Wachstum warnte, was die Hütte überfordern könnte, wollten Blessing und der Vorsitzende der Geschäftsführung der SHS Stahl-Holding Saar, Michael Müller , genau dieses forcierte Wachstum. Belche musste gehen. Blessing musste aber wenige Jahre später erfahren, dass der Griff nach weltweiten Marktanteilen extrem schwierig ist für die saarländischen Stahlunternehmen. Denn weltweite Überkapazitäten drücken die Preise und gefährden kleine und mittlere Stahlhersteller. Wer wird nun in Dillingen und Völklingen das Ruder in die Hand nehmen? Einen möglichen Nachfolger hat Blessing nie aufgebaut. Das könnte sich nun als fataler Fehler herausstellen. Gerade jetzt brauchen beide Stahlstandorte Führungsstärke wie nie zuvor.

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