Wissen Kopfschmuck mit Datenanschluss

Essen · Datenbrillen könnten in den kommenden Jahren in vielen Branchen das Berufsleben tiefgreifend verändern.

 Datenbrillen wie die Hololens können digitale Informationen zum gerade betrachteten Gegenstand ins Gesichtsfeld des Benutzers einblenden.

Datenbrillen wie die Hololens können digitale Informationen zum gerade betrachteten Gegenstand ins Gesichtsfeld des Benutzers einblenden.

Foto: Microsoft

Der Beruf des Handwerkers ist im Wandel. Wenn ein Monteur künftig an der Haustür klingelt, dann hat er möglicherweise eine Datenbrille im Gepäck. Die blendet ihm später beim Schrauben im Verteilerkasten oder an der Waschmaschine zusätzliche Infos ins Gesichtsfeld ein, so dass er einen Fehler schneller findet. Mit einem Klick oder Sprachbefehl kann er den Hersteller kontaktieren, um nachzuschauen, ob ein Ersatzteil verfügbar ist. Große und kleine Unternehmen testen das Verfahren bereits.  Ein Beispiel ist Thyssen-Krupp.

Die Aufzugsparte des Essener Konzerns hat eine Kooperation mit dem Softwareunternehmen Microsoft geschlossen. Im Fokus steht die sogenannte Hololens, eine 650 Gramm schwere Datenbrille, die man sich wie einen Fahrradhelm auf den Kopf setzt. Das Gerät ist gespickt mit Elektronik. Es vereine die Rechenleistung von zwei Laptops, berichtet Scott Erickson, der Microsoft-Manager für dieses Gerät.

Die Brille beobachtet mit ihren sechs Kameras das Umfeld und ihren Benutzer, um herauszufinden wo dessen Blick gerade hingeht. Dann blendet die Brille in sein Gesichtsfeld zusätzliche Informationen oder virtuelle Gegenstände ein  – das Verfahren hat Ähnlichkeiten mit dem Spiel Pokemon-Go. Der Aufzughersteller Thyssen-Krupp will die Hololens für seine Wartungsteams nutzen. „Wir hoffen, dass wir dadurch Reparatur- und Servicezeiten von zwei Stunden auf 30 Minuten reduzieren können“, erklärt Andreas Schierenbeck, Chef der Aufzugsparte.

Die Brille kann verschiedene Bauteile unterschiedlich farblich darstellen, mit Sprachbefehlen kann der Brillenträger in das virtuelle Gerät hineinzoomen, es drehen und wenden. Mit ausgestrecktem Arm und Hand können Teile einer Maschine manipuliert oder Einträge in einem virtuellen Menü angetippt werden. Wenn ein Monteur nicht weiter weiß, kann er auf Zuruf einen Fachmann aus der Zentrale hinzuschalten und um Rat fragen.

Scott Erickson von Microsoft ergänzt: „Die Nasa nutzt die Hololens in ihrem Mars-Rover-Programm.“ Lehrkräfte an der US-amerikanischen Chase Western University setzten die Hololens in Anatomie-Kursen ein. Der Autokonzern Volvo probiere die Datenbrille im Verkauf aus, Flugzeugbauer nutzten sie fürs Training.

Datenbrillen werden immer ausgefeilter. Fachleute unterscheiden mittlerweile VR- und AR-Brillen. Unter „Virtual Reality“ (VR) versteht man, dass die Umwelt komplett ausgeblendet wird. Die Brille entspricht einem Monitor, der jegliche Bildinformation bereitstellt. Beispiel ist die Brille Okulus Rift von Facebook. „Augmented Reality“ (AR) zeigt die reale Umwelt, fügt aber noch etwas Artifizielles hinzu – das können etwa Google Glass oder die Hololens von Microsoft. „Wir haben uns ein Jahr mit den Datenbrillen beschäftigt“, sagt Thomas Winzer vom mittelständischen Softwarehaus Inosoft in Marburg. Die Zeit sei reif und das AR-Konzept biete einen höheren Nutzen für die Kunden. „Interessant ist, dass die Datenbrillen den dreidimensionalen Raum verfügbar machen.“ Ein Beispiel zeigt ein Computerfan im Internet: Er zaubert sich über die Hololens einen Haifisch ins Büro, der langsam durch die Luft schwimmt. Der Betrachter kann sich frei um den Haifisch bewegen und ihn von allen Seiten betrachten.

Dieses 3-D-Potenzial will Winzer für seine Kunden verfügbar machen. Immobilien-Investoren und Architekten können sich Gebäude schon mal vorab anschauen. Wer die Brille aufsetzt, sieht das Hologramm des Gebäudes auf dem Konferenztisch. Thomas Winzer geht zu Demozwecken um das virtuelle Gebäude herum. An der Seite schwebt ein Computermenü mit verschiedenen Einträgen. Er klickt auf die Zoomfunktion und schon scheint das Gebäude immer größer zu werden, müsste eigentlich durch die Zimmerdecke wachsen. Den Kopf hart ins Genick gestreckt, blickt Winzer an der virtuellen Gebäudefassade hinauf. „Wir sprechen hier von einem digitalen Zwilling“, erläutert Winzer.  Um zu prüfen, ob ein Gerät oder eine Anlage den Normen gerecht wird, erstellt das Inosoft-Team aus Informatikern, Mathematikern, Physikern, Biologen und Soziologen ein virtuelles Abbild des Objekts. Mit der Brille lässt sich das dann vor Bau und Produktion testen.

Wo geht die Reise hin? Thomas Winzer meint, dass in Zukunft die Datenbrille die Service-CD als Datenträger ersetzt. Alle Informationen, Daten und die Kommunikation könne die Brille bereitstellen. „Jetzt sind viele Unternehmen noch skeptisch gegenüber ‚Augmented Reality‘, doch wer sie ausprobiert hat, will sie auch einsetzen“, sagt Winzer.

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