Fitness-Influencer Kommerzieller Körperkult im Netz

Witten · Fitness-Influencer sind für viele Jugendliche Vorbilder. Über die sozialen Medien geben sie jungen Menschen Tipps zu Ernährung und Sport. Gesundheitsförderung steht dabei laut einer Untersuchung allerdings nicht im Vordergrund.

 Geschönte Bilder, knackige Körper und das Versprechen, dass mit einem vermeintlich perfekten Aussehen auch Lebensglück garantiert ist – Fitness-Influencer prägen Jugendliche mit fragwürdigen Verhaltensweisen.

Geschönte Bilder, knackige Körper und das Versprechen, dass mit einem vermeintlich perfekten Aussehen auch Lebensglück garantiert ist – Fitness-Influencer prägen Jugendliche mit fragwürdigen Verhaltensweisen.

Foto: Getty Images/ iStockphoto/Bluegame

Durchtrainierte Bäuche und kein Gramm Fett am Leib – das ist es, was Jugendliche täglich sehen, wenn sie sogenannten Fitness-Influencern in den sozialen Netzwerken folgen. Influencer (von engl. to influence, dt. beeinflussen) sind Menschen, die in sozialen Netzwerken bekannt geworden sind und dort viele Fans, auch Follower genannt, haben. Dass die Fotos umfangreich bearbeitet seien, sei vielen Anhängern dabei nicht bewusst, erklärt Professorin Sabine Bohnet-Joschko. Die Forscherin von der Uni Witten/Herdecke hat zusammen mit Katharina Pilgrim 1000 Bilder der 50 populärsten Fitness-Influencer und die dazugehörigen Kommentare von Fans untersucht. Ziel der Studie war es, zu verstehen, wie Influencer mit ihren Fans kommunizieren und wie sie sie damit beeinflussen.

Von vielen Fitness-Influencern werde propagiert, dass sich Schönheit nur durch aktive Formung des eigenen Körpers erreichen ließe. Ein so gestählter Körper werde als gesund und als Ausdruck eines selbstbestimmten Lebens dargestellt. Zudem werde ein Gefühl von Macht, Kontrolle und Leistung über die Körperoptimierung suggeriert, so die Wittener Forscherinnen.

 „Die Fitness-Influencer prägen Jugendliche heute maßgeblich in ihren Verhaltensweisen. Dabei betreiben diese keine Gesundheitsförderung, sondern wollen Geld verdienen“, sagt Pilgrim. Denn für viele der Internet-Idole gehe es vorwiegend darum, Produkte wie Sportbekleidung und Nahrungsergänzungsmittel zu vermarkten. So sei auf zwei von drei untersuchten Bildern der Influencer ein Hersteller, ein Produkt oder eine Marke zu sehen gewesen. Nur die Hälfte der Produktplatzierungen sei dabei als Werbung gekennzeichnet gewesen. Nahrungsergänzungsmittel in Pulver- oder Pillenform waren auf nahezu der Hälfte der Fotos abgebildet. „Konsum, Schönheit und Glück werden so in einen direkten Zusammenhang gestellt“, sagt Bohnet-Joschko. Den Jugendlichen sei das allerdings oft nicht klar. Sie kommunizierten mit den Influencern über das Netz wie mit Freundinnen. „Sie klagen über ihre Figur, kommentieren umfangreich das Aussehen, die Kleidung, das Essen ihrer Idole und sie suchen Rat, wie auch sie so perfekt werden können“, erklärt Pilgrim.

Die Forscherin hat damit auch persönliche Erfahrungen gemacht. 2016 wurde sie Weltmeisterin in der Bikini-Fitness-Klasse im Bodybuilding. In den sozialen Medien präsentierte die Wissenschaftlerin ihre sportlichen Erfolge. „Nach dem Titelgewinn häuften sich die Anfragen für Werbekooperationen“, erklärt Pilgrim. „Und plötzlich kamen da auch viele Anfragen von Jugendlichen zu Diättipps, das hat mich erst mal überrascht. Ich bin ja keine Ernährungswissenschaftlerin.“ Es müsse deutlich werden, dass soziale Medien nicht nur ein Marketinginstrument sind, sondern gerade für junge Menschen ein wichtiger Teil ihrer Lebenswelt. Durch ihre eigenen Erfahrungen sei sie auf ihr Forschungsthema aufmerksam geworden: „Wäre ich nicht selbst in der Szene aktiv gewesen, hätte ich die Bilder und Kommentare nicht so gut analysieren können. Gleichzeitig musste ich natürlich von meiner persönlichen Erfahrung Abstand gewinnen, um wissenschaftlich fundiert arbeiten zu können“, erklärt Pilgrim.

Das längst nicht alle so perfekt und gesund sind, wie die im Netz platzierten Bilder von Fitness-Influencern suggerieren, lässt sich auch am Beispiel von Anja Zeidler zeigen. Das bekannte Fitness-Model aus der Schweiz bekannte in einem 2019 erschienenen Buch, was sie alles getan hat, um in den sozialen Medien einen vermeintlich perfekten Körper präsentieren zu können. Anabolikamissbrauch und eine Essstörung seien die Folge ihres zunehmenden Optimierungswahns gewesen. In einem Interview mit der „Zeit“ sagte sie: „Ich denke auch, dass soziale Medien wie Instagram ein Problem sind. Dort wird ein surreales Körperbild vermittelt und gleich eine Anleitung mitgegeben, wie man es erreichen kann.“ – Angeblich, denn ein perfekter Körper sei in Wahrheit ein unerreichbares Ziel.

Eine Untersuchung der Universität Landshut und des Internationalen Zentralinstituts für Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) hat ergeben, dass die Bildplattform Instagram Essstörungen begünstigen kann. Fitness-Influencer regten in besonderem Maße Mädchen und junge Frauen dazu an, ihr Ess- und Trainingsverhalten nachzuahmen Gleichzeitig könnten über denselben Kanal aber auch positive Körperbilder transportiert werden. Das sieht auch Bohnet-Joschko von der Uni Witten so und rät, das Potenzial der sozialen Netzwerke zu nutzen. Es sei wichtig, Jugendliche angemessen aufzuklären, zu beraten und zu schützen. „Dazu gehört auch das Umdenken, die sozialen Medien als eigene Lebenswelt wahrzunehmen. Sie also nicht pauschal zu verdammen, sondern sie zu nutzen, um mit wirklicher Gesundheitsförderung die Jugendlichen zu erreichen.“

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