Stille Schönheit

Wolfsburg. Seine Aufnahme "Paris. Place de l'Europe. Gare Saint Lazare" von 1932 ist eine Ikone der Fotografiegeschichte. Ein schwarz gekleideter Mann mit Melone eilt über einen regennassen Platz vor dem Pariser Bahnhof. Elegant springt er über eine tiefe Pfütze. Just in diesem Moment war der Fotograf Henri Cartier-Bresson zur Stelle

 Ein Naturbild, aufgenommen 1999 im französischen Céreste. Foto: Henri Cartier Bresson / Magnum Photos

Ein Naturbild, aufgenommen 1999 im französischen Céreste. Foto: Henri Cartier Bresson / Magnum Photos

Wolfsburg. Seine Aufnahme "Paris. Place de l'Europe. Gare Saint Lazare" von 1932 ist eine Ikone der Fotografiegeschichte. Ein schwarz gekleideter Mann mit Melone eilt über einen regennassen Platz vor dem Pariser Bahnhof. Elegant springt er über eine tiefe Pfütze. Just in diesem Moment war der Fotograf Henri Cartier-Bresson zur Stelle. Er hielt einen eindrucksvollen Moment voller Dynamik fest. Im Hintergrund Lagerhallen, Zäune und Plakate, im Vordergrund der "Pfützenspringer" und sein Schatten, der sich symmetrisch in der Wasserlache spiegelt - ein Bild wie eine Landschaft.Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt unter dem Titel "Geometrie des Augenblicks" rund 100 Fotografien und sieben Lithografien von Henri Cartier-Bresson. Der Mitbegründer der berühmten Fotoagentur Magnum hat diese Auswahl von Landschaftsaufnahmen kurz vor seinem Tod 2004 für ein Buchprojekt getroffen. Die Berliner Fotokünstlerin Frauke Eigen hat die Schau in Wolfsburg eingerichtet. Im Titel taucht der Begriff "Landschaft" gar nicht auf. Vielmehr geht es um Geometrie, um Strukturen, Linien und Formen, ein kompositorisches Prinzip, das sich durch sein gesamtes fotografisches Schaffen zieht. Das können symmetrisch angelegte Alleen im Herzen Frankreichs sein, aber auch harmonisch durchkomponierte Stadtlandschaften etwa im italienischen Siena.

Der Augenblick spielte im Werk Cartier-Bressons eine entscheidende Rolle. Seine fototheoretische Schrift über den "rechten Augenblick", also den perfekten Moment des Abdrückens, hat Generationen von Fotografen geprägt.

Cartier-Bresson, 1908 bei Paris geboren, bereiste nach einem Studium der Malerei für ein Jahr die Elfenbeinküste und begann zu fotografieren. Nachdem er 1943 aus der deutschen Kriegsgefangenschaft fliehen konnte, erlebte er die Befreiung von Paris mit der Kamera. Das Reisen wurde zur Kraftquelle seiner Arbeit: Europa und Mexiko, die USA, später dann Indien, China und Indonesien, Kuba und die Sowjetunion als einer der wenigen Reportagefotografen zur Zeit des Eisernen Vorhangs.

Seine Aufnahmen, auch wenn sie im weitesten Sinne Landschaften zeigen, verhehlen nie sein Interesse am Menschen, zumindest an den Spuren, die er hinterlässt. Ihn interessieren Momente der Intensität, aber auch der Beiläufigkeit und der stillen Schönheit. Ein Totenkreuz vor einem Vulkan in Mexiko. Ein einsamer Mann in einer kargen Berglandschaft in Serbien, auf dem Rücken ein übergroßer Kontrabass. Melancholie bestimmt sein Werk, aber auch die Sensibilität des behutsamen Beobachters, der sich nicht einmischt, sondern als nahezu unsichtbarer Zeuge fesselnde Bilder schafft.

Bis 13. Mai. Mi-So 11-18 Uhr, Di 11-20 Uhr.

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