Noch immer so jugendlich-frisch

London. 250 Tage reist er jede Saison quer über die Kontinente, von Europa nach Australien, von Amerika nach Asien. Er jettet durch alle möglichen Zeit- und Klimazonen, Jahr für Jahr, und das nun schon zehn lange Jahre als eine der Frontfiguren seines Sports

London. 250 Tage reist er jede Saison quer über die Kontinente, von Europa nach Australien, von Amerika nach Asien. Er jettet durch alle möglichen Zeit- und Klimazonen, Jahr für Jahr, und das nun schon zehn lange Jahre als eine der Frontfiguren seines Sports. Aber noch immer wirkt dieser Mann so jugendlich-frisch, so ehrgeizig und zupackend wie in jenen Tagen, als seine großartige Karriere kurz nach der Wende in ein neues Jahrtausend zu strahlen anfing.

Und wenn man ihn wie in den Erfolgs-Tagen des Londoner Tennis-Masters spielen sieht und reden hört, dann kann man kaum glauben, dass dieser Maestro Roger Federer im nächsten Jahr schon seinen 30. Geburtstag feiert - und dass er, ganz nebenbei, inzwischen auch schon stolzer Ehemann und Vater der Zwillingstöchter Charlene und Myla ist.

Am Ende einer Saison, in der er unentwegt von Untergangs-Propheten abgeschrieben und als Kandidat für die großen Titel ignoriert wurde, hatte der Ästhet am Ball jedenfalls das letzte starke Wort - als WM-Champion und Bezwinger des Weltranglisten-Ersten Rafael Nadal verließ Federer die 02-Arena im Südosten Londons. So gehörte dem Grand-Slam-Rekordsieger nicht nur der erste große Moment der Spielserie 2010 mit dem Triumph bei den Australian Open, sondern auch der finale Coup. Es war der kraftvolle Endspurt eines Mannes, der den längsten Atem aller acht Topspieler hatte. Und brauchte es noch eines Belegs, wie fit der alte Meister ist, wie gut er sich seine Kräfte einzuteilen vermag: Hier war er, am Abend des 28. November.

Gelegentlich ist Federer in letzter Zeit belächelt worden, wenn er davon sprach, noch weit über das Jahr 2012 und seiner Teilnahme an den Olympischen Spielen in Wimbledon Tennis auf höchstem Niveau spielen zu wollen. Inzwischen ist den meisten kritischen Betrachtern das Lachen vergangen. Nicht zuletzt, weil Federer in dieser Saison auch seine bisweilen störrische Attitüde des nur auf sich selbst vertrauenden Tennis-Unternehmers abgelegt hat. Mit der Verpflichtung des ehemaligen Pete-Sampras-Trainers Paul Annacone hat sich der Schweizer zur Saisonmitte personell kraftvoll verstärkt und Frische gefunden - neudeutsch formuliert: ein sanfter Relaunch. "Im Frühjahr habe ich viele Spiele verloren, weil ich zu passiv war, mich zu sehr in dem Gewohnten eingerichtet hatte", sagt Federer. Man könnte auch sagen: Es war eine Zeit, in der Stillstand für Federer Rückschritt war.

Doch seit Wimbledon hat er 34 seiner 38 Spiele gewonnen. Und fast immer folgten die Siege einer neuen, aggressiveren Haltung Federers. Er wollte wieder selbst die Ballwechsel bestimmen, den Takt und den Rhythmus des Spiels vorgeben. Schon in New York hatte nicht viel gefehlt für ein glanzvolles Ergebnis - bei den US Open: Im Halbfinale hatte der Schweizer zwei Matchbälle gegen Novak Djokovic, verlor die hochdramatische Partie aber noch.

In London war Federer jetzt viel weiter fortgeschritten bei seiner Mission der Rückeroberung der alten Machtsphäre. Zurück war die unverwechselbare Coolness bei den wichtigen Punkten. Gerade mal einen Satz gab Federer ab, im Finale gegen Nadal, sonst war alles Roger in der 02-Arena - und das beim Stelldichein der acht besten Saisonspieler. "Es war einfach ein großes Vergnügen, wieder stabil so gutes Tennis zu spielen", sagte Federer nach seinem insgesamt 66. Turniersieg - und dem fünften Erfolg des wechselvollen Jahres 2010.

Federer leidet nicht an irgendwelchen Verschleißerscheinungen, an Motivationsproblemen oder schlichtweg an Langeweile. "Die Inspiration geht mir vorerst nicht aus", sagt er. Auf eine fast kindliche Weise hat er sich den Spaß an seinem Sport bewahrt. Erst hatte er sein Vergnügen daran, als Nummer eins die Angriffe der Kollegenschaft abzuwehren. Nun genießt er die einzige wirkliche Rivalität, die es in seiner Karriere gibt, die Rivalität mit dem spanischen Weltranglisten-Ersten Rafael Nadal.

Beide haben sie in letzter Zeit ganze Spielserien beherrscht, meist dann, wenn der andere Verletzungsprobleme hatte und wieder mühsam Tritt fassen musste. Deshalb spielten sie 2008 und 2009 auch sehr selten gegeneinander, schon gar nicht mehr in den großen Finals. 2011 verspricht daher eine außergewöhnlich aufregende Saison zu werden: Mit Federer und Nadal in Topverfassung und der ewig jungen Frage, wer von ihnen gerade auf Platz eins gehört. "Die Inspiration geht mir vorerst nicht aus."

Tennis-Profi

Roger Federer

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