Frauenfußball in Deutschland Männer-Klubs sollen Aufschwung bringen

Frankfurt · Die Frauen-Bundesliga hofft auf ein Ende des Dornröschenschlafs. Der DFB nimmt die Männer-Bundesligisten in die Pflicht.

 Nicole Billa (links) von der TSG Hoffenheim und Alexandra Popp vom VfL Wolfsburg werden sich beim Spitzenspiel an diesem Freitag begegnen.

Nicole Billa (links) von der TSG Hoffenheim und Alexandra Popp vom VfL Wolfsburg werden sich beim Spitzenspiel an diesem Freitag begegnen.

Foto: dpa/Michael Deines

Die glorreichen Zeiten der Frauen-Nationalmannschaft sind vorbei, die Jubelbilder mit Medaillenglanz verblasst. Nun soll eine neue Ära im Frauenfußball anbrechen – mit den finanzstarken Männer-Klubs als Wachküsser für die Mauerblümchen-Liga. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ist von diesem Trend überzeugt, wenn sie sagt: „Die großen Klubs werden auch bei den Frauen den Fußball der Zukunft prägen.“ Sie gibt jedoch zu bedenken: „Bevor wir aber über so etwas wie Equal Pay, also gleiche Bezahlung, reden, müssen wir Equal Play schaffen. Dass auch Mädchen von Nachwuchsleistungszentren profitieren. Dass wir die gleichen Wege für alle schaffen.“

Für Siggi Dietrich, den langjährigen Bundesliga-Manager beim 1. FFC Frankfurt, beginnt „ein neues Zeitalter“ im Frauenfußball. Mal wieder – könnte man sagen, da alle Erfolge der DFB-Auswahl in der Vergangenheit verpufft sind. Die Euphorie aber ist groß beim siebenfachen deutschen Meister, der vom Sommer an unter dem Dach von Eintracht Frankfurt spielt. Das Beispiel soll Signalwirkung haben.

Vor dem Liga-Auftakt 2020 an diesem Wochenende liegen nicht zufällig der VfL Wolfsburg, die TSG 1899 Hoffenheim und der FC Bayern München in der Tabelle vorne. „Wir brauchen den Profifußball der Männer, um den Frauenfußball zu entwickeln. Wir müssen auch die Frauenspiele eventisieren“, fordert DFB-Vizepräsident Rainer Koch.

Doch längst ziehen nicht alle Männer-Erstligisten im Land des Frauen-Olympiasiegers und zweimaligen -Weltmeisters mit. Derzeit sind nur sechs Klubs auch bei den Frauen erstklassig. Die reinen Frauenfußball-Vereine wissen, dass sie nicht mehr vorne mitspielen können, ohne vom Umfeld eines Profi-Bundesligisten zu profitieren. Beim Tabellenvierten SGS Essen sagte Trainer Markus Högner schon vor Saisonbeginn: „Wir haben für uns jetzt den Gipfel erreicht, ich bin überzeugt, dass wir ein Ausbildungsverein bleiben werden.“

So verwundert es nicht, dass vor dem Jahresauftakt der Wechsel der Nationalspielerin Lea Schüller von der SGS Essen zum FC Bayern bekannt gemacht wurde. Die 22 Jahre alte Stürmerin erhält einen ab Sommer laufenden Vertrag bis 2023. „Es bedeutet mir sehr viel, diesen Schritt gemacht zu haben“, sagte Schüller, die betonte, sie wolle mit „dem FC Bayern um Titel spielen“. In 19 Länderspielen hat Schüller bislang zehn Tore erzielt, in der Liga liegt sie mit elf Treffern auf Platz vier der Liste der besten Torjägerinnen.

Zurück bleibt die SGS Essen, die nun neuen Nachwuchs nach oben bringen muss und will. Eine Kooperation mit Großklubs wie Borussia Dortmund oder Schalke 04 ist nicht in Sicht. Im Westen tut man sich überhaupt schwer, auch wenn der 1. FC Köln und Bayer Leverkusen zum Oberhaus gehören. „Was nützt es, wenn ein Verein wie Borussia Mönchengladbach seine Frauen-Mannschaft in die Bundesliga bringt und dort mit nur einem Punkt gleich wieder absteigt?“, sagt die derzeit schwanger pausierende Nationaltorhüterin Almuth Schult vom VfL Wolfsburg und erläutert: „Wichtig ist, dass man das mit Herz macht. Man ist ja Fan des Vereins, nicht des Männerteams.“

In Dortmund hing kürzlich ein Spruchband der Initiative ballspiel.vereint! („Fußball ist für alle da – Frauenteam jetzt“) in der Südkurve. Präsident Reinhard Rauball verwies bei der Mitgliederversammlung aber darauf, dass ja schon die Handballerinnen des BVB Bundesliga spielen und dass ein Profiteam unter dem Dach des eingetragenen Vereins nicht denkbar sei, da die Finanzierung die Gemeinnützigkeit gefährden würde. In Frankfurt agieren die Frauen künftig unter dem Dach der Fußball-AG, die Nachwuchsteams weiterhin beim eingetragenen Verein.

Skeptiker argumentieren auch damit, dass in Dortmund und auf Schalke halt nur der Männerfußball Tradition habe. Nationaltorhüterin Schult regt das auf. „Was ist denn Tradition? Der Frauenfußball konnte keine 100-jährige Tradition aufbauen, weil er zwischenzeitlich verboten war. Der Fußball an sich ist doch die Tradition.“

Klubs wie der badische SC Sand – in unmittelbarer Nachbarschaft zum französischen Erstligisten Racing Straßburg gelegen – hat keine Chance auf einen vielversprechenden Anschluss an einen Männer-Bundesligisten. „Unsere Eigenständigkeit hat ja auch einen gewissen Charme. Wir fühlen uns ganz wohl als das kleine gallische Dorf“, sagt Geschäftsführerin Claudia von Lanken. Das Team aus dem 2000-Einwohner-Ort stand immerhin schon zwei Mal im DFB-Pokal-Finale. Doch mittelfristig wird es Sand in der Bundesliga ganz schwer haben. Bei Ex-Meister Turbine Potsdam stellt sich Präsident Rolf Kutzmutz darauf ein, „dass wir als reiner Frauen- und Mädchenfußballverein eines Tages Einzelgänger in der Bundesliga werden könnten“.

In Frankfurt spricht Dietrich als Vorsitzender des neu geschaffenen Ausschusses Frauen-Bundesliga von einer „echten Aufbruchstimmung“. Die Zahlen sind jedoch ernüchternd: An den ersten 13 Spieltagen kamen im Schnitt 954 Zuschauer – immerhin 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Aber Welten entfernt vom Länderspiel im November im Londoner Wembley-Stadion, als die DFB-Auswahl vor 77 000 Besuchern England mit 2:1 besiegte. Dietrich sieht die Entwicklung hin zu Männer-Bundesligisten als unaufhaltsam. „Viele Klubs in Spanien, England und Frankreich praktizieren dies, und wenn die großen Klubs damit anfangen, werden die kleinen sicherlich auch nachziehen.“

Nationalspielerin Sara Däbritz von Paris Saint-Germain spielte zuvor beim FC Bayern und SC Freiburg. Sie sieht bei einem Männer-Klub auch ein enormes Zuschauer-Potenzial: „Die Ultras der Männer sind regelmäßig bei unseren Spielen dabei und machen richtig Stimmung. Zuletzt gegen Marseille haben wir vor 3500 Zuschauern gespielt, die Stimmung war großartig.“

Immerhin hat die Frauen-Bundesliga durch die inzwischen regelmäßigen TV-Ausschnitte in der ARD-Sportschau und die Übertragung des Freitagsspiels bei Eurosport ein breiteres Publikum bekommen. An diesem Freitag (19.15 Uhr) treffen passenderweise die beiden Topteams TSG Hoffenheim mit Nationalspielerin Lena Lattwein aus Hüttigweiler und Spitzenreiter VfL Wolfsburg aufeinander. Der Sponsor der Eliteliga (Flyeralarm) wirbt zudem mit einem Magazin mit dem filigranen Namen „Elfen“.

 Martina Voss-Tecklenburg wünscht sich bessere  Chancen für Fußball spielende Mädchen.

Martina Voss-Tecklenburg wünscht sich bessere Chancen für Fußball spielende Mädchen.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow
 Der Frankfurter Macher Siegfried Dietrich sieht einen Aufbruch.

Der Frankfurter Macher Siegfried Dietrich sieht einen Aufbruch.

Foto: dpa/Lukas Schulze

Der neue DFB-Präsident Fritz Keller sieht England als Vorbild und sagt: „Ich erwarte von jedem Bundesligisten, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen und auch in den Frauenfußball investieren.“ Zumal der Deutsche Fußball-Bund das „Projekt Zukunft weiblich“ gestartet hat und auch in Führungspositionen mehr Frauen einbinden will. In diesem Jahr wird außerdem mit einigen Aktionen ein Jubiläum gefeiert: Vor 50 Jahren hob der Verband das Frauenfußball-Verbot auf.

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