Schmerzlicher Wohlklang

Saarbrücken. Eigentlich eine Mogelpackung: "Romeo und Julia" stand außen drauf, war aber nicht drin. Schließlich nannte Bellini diese Oper "I Capuleti e i Montecchi", womit der Schwerpunkt auf die Todfeindschaft zwischen den beiden Familien fällt. Also kein Liebesgeflüster auf dem Balkon, weder Nachtigall noch Lerche

Saarbrücken. Eigentlich eine Mogelpackung: "Romeo und Julia" stand außen drauf, war aber nicht drin. Schließlich nannte Bellini diese Oper "I Capuleti e i Montecchi", womit der Schwerpunkt auf die Todfeindschaft zwischen den beiden Familien fällt. Also kein Liebesgeflüster auf dem Balkon, weder Nachtigall noch Lerche. Die bühnenwirksame Tötung Tybalts durch Romeo: lediglich Erzählung. Die Komik der geschwätzigen Amme - gestrichen. Keine heimliche Trauung in der romantischen Klause, denn Lorenzo ist hier kein Mönch, sondern ein Arzt. Statt der kraftvollen Blankverse Shakespeares das elegante Italienisch von Felice Romani.Ja, bleibt dann überhaupt noch etwas übrig? Ja, nämlich die Hauptsache, die unsterbliche Liebe zweier Sterblicher. Und da wusste sich Bellini im Besitz eines Mittels, das noch stärker wirkt als Shakespeares Sprachkunst, nämlich seine Meisterschaft, seelische Vorgänge in Belcanto umzusetzen. In jene "melodie lunghe, lunghe, lunghe", wie Verdi nicht ohne Neid formulierte, in ausdrucksberstenden, hochdramatischen Schöngesang also. Dass manche Melodie, die scheinbar nur Romeo oder nur Giulietta aus der Seele kommen kann, von Bellini unter Zeitdruck aus seiner "Zaide" übernommen wurde - nun, das hat schon der alte Bach so gehandhabt.

Alles steht und fällt hier mit den Sängern. Wenn man weiß, dass selbst eine Anna Netrebko in Paris mit einigen Koloraturen und Spitzentönen dieser Partie ihre liebe Mühe hatte, kann man nur den Elan bewundern, mit dem man in Saarbrücken ans Werk ging. Und auch das Grundproblem löste: Dass Bellini den Romeo mit einem Mezzosopran besetzte und ihn zudem noch oft im Sopran-Register wie Giulietta singen lässt, trübt die Vorstellung eines klassischen Liebespaares. Tereza Andrasi gelang es, durch metallische Herbheit in der Stimme und virile Aggressivität im Ausdruck ihre Rolle dennoch glaubhaft zu machen.

Zögern und Zaudern

Elizabeth Wiles wiederum kam zugute, dass Bellinis Librettist der Giulietta nichts von der naiven Entschiedenheit gab, die Shakespeares Julia auszeichnet. So konnte Wiles das Zögern und Zaudern (mit dem Geliebten zu fliehen), die Seufzer und die Angst (vor der Wirkung des betäubenden Tranks) in schmerzlichen Wohlklang umsetzen, wobei sie gerade an den leisen Stellen große Wirkung erzielte.

Überzeugend auch der leidenschaftliche Tebaldo (Jevgenij Taruntsov), der starrsinnige Familienchef Capellio (Hiroshi Matsui) und der auf Versöhnung bedachte Lorenzo (Olafur Sigurdarson). Die Vorteile einer konzertanten Aufführung wurden deutlich: Die Sänger konnten sich ganz auf die Musik konzentrieren, Liebe und Hass, Verzweiflung und Glück nur mit ihren Stimmen ausdrücken. Und sie blieben stets verständlich, obwohl die projizierte deutsche Übersetzung manchmal Kurioses anbot.

Im zweiten Teil, der ohnehin die innigsten Szenen enthält, gab es Höhepunkte wie Giuliettas Ringen um die Liebe des Vaters, "Ah! non poss'io partire / priva del tuo perdono" (ohne Deine Vergebung kann ich von Dir nicht geh'n), dramatische Ensembles der Männer und schließlich Romeos Klage an der vermeintlichen Leiche der Geliebten. Andrasi setzte alle Klangfarben so überzeugend ein, dass man fast dem ungehemmten Dauer-Huster im Publikum verziehen hätte.

Der Chor, von Jaume Miranda in gewohnter Qualität einstudiert, wurde trotz ungünstiger Aufstellung im Hintergrund seinen unterschiedlichen Rollen gerecht. Dem Orchester, von Thomas Peuschel sicher, aber etwas blass geleitet, gelang der Wechsel zwischen an Rossini orientierter Virtuosität und einfallslosen Begleitfloskeln gut; einzelne Soli (Klarinette, Cello) trugen zum "belcanto" bei. Fazit: Wenn konzertante Aufführungen die Kosten senken und musikalischen Gewinn bieten, dann bitte öfters Genüsse dieser Art!

Termine: 4. Februar, 13. und 24. März. 1. und 12. April. 9. Mai. 15. und 21. Juni.

Karten: Tel. (06 81) 309 24 86.

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