Watschen für die Kanzlerin

Berlin. Jeder Landesfürst fand gestern im großen Sitzungssaal des Bundesrates vor sich auf dem Tisch einen leckeren Dresdner Christstollen. Eine Gabe Sachsens, das derzeit den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) führt. Das war aber auch schon der einzige weihnachtliche Aspekt des Treffens

Berlin. Jeder Landesfürst fand gestern im großen Sitzungssaal des Bundesrates vor sich auf dem Tisch einen leckeren Dresdner Christstollen. Eine Gabe Sachsens, das derzeit den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) führt. Das war aber auch schon der einzige weihnachtliche Aspekt des Treffens. Denn die Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, der Westen sei jetzt verstärkt am Zuge bei Investitionen sowie die Debatte über ein zweites Konjunkturpaket sorgten eher für wenig versöhnliche Stimmung.

Vor allem die eigenen Ministerpräsidenten zeigten sich gestern auf den Fluren des Bundesrates überrascht, dass die CDU-Vorsitzende sich so deutlich zum Aufbau West bekannt hatte. Merkel will, so hat sie es in einem Interview verraten, die geplanten Mehr-Investitionen zur Abmilderung der Wirtschaftskrise vor allem in den Westen fließen lassen. Diese Aussage kam deshalb für viele unerwartet, weil es in der Bundespolitik eigentlich ein ungeschriebenes Gesetz ist, dass sich das Aufrechnen von Finanztransfers zwischen Ost und West nahezu verbietet.

Nun ist Merkel nicht die Erste, die diesen hehren Grundsatz durchbrochen hat - auch Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) tat dies schon mal, als er noch Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen war. Merkel ist aber die Kanzlerin, somit hat der Vorstoß eine andere Qualität. Manch einer in der SPD schimpfte sie gestern bereits "Spalterin". Die Trennlinie zwischen den Ministerpräsidenten verlief indes nicht sonderlich unerwartet: In den vergangenen Jahren habe bei den Aufwendungen für die Verkehrsinfrastruktur der Schwerpunkt in den neuen Ländern gelegen, sagte der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU, Foto: dpa) als Westvertreter zu unserer Zeitung. "Das war auch richtig so. Aber dass es im Westen Bedarfe gibt, die aufgelaufen sind und die berücksichtigt werden müssen, der Meinung bin ich schon", meinte Müller. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) entgegnete als Ostmann: "Die Belange ostdeutscher Länder müssen angemessen berücksichtigt werden." West gegen Ost, Ost gegen West - ob Merkel das beabsichtigt hat? Die Länder rieten der Kanzlerin bei ihrem Gespräch im Anschluss der MPK, "keine Eingrenzungen" vorzunehmen und Maßnahmen am Bedarf zu orientieren. Durchaus eine Watsche war dieser Tipp.

Das beherrschende Thema der MPK war indes die Ausgestaltung und die Finanzierung eines zweiten Konjunkturpakets, das die Bundesregierung Ende Januar auf den Weg bringen will. Nächsten Dienstag wollen laut Merkel Vertreter von Bund und Länder noch einmal zusammenkommen, um über "Leitplanken" für schnelle Investitionen zu beraten. "Uns eint auch der Wunsch, dass wir etwas für Beschäftigung tun", sagte die Kanzlerin. Vorab hatte die CSU getönt, sie werde dem Paket nicht zustimmen, solange nicht rasche Steuersenkungen darin enthalten seien. Doch beim morgendlichen Vorgespräch der Unionsländer stellte sich schnell heraus, dass CSU-Chef Seehofer mit seiner Forderung isoliert war. Schnelle Entlastungen wurden lediglich als "Protokollerklärung Bayern" von den Unions-Ministerpräsidenten zur Kenntnis genommen. Eine Abfuhr für den umtriebigen Seehofer. Der Konflikt, der Merkel in Atem hält, schwelt damit aber weiter.

Nun wird also erst einmal eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe nach konkreten Investitionsprojekten bei Straße, Schiene oder Bildung suchen. Mit Blick auf die Finanzierung eines zweiten Programms scheinen sich die Landesfürsten weitgehend einig: "Jetzt ist der Bund an der Reihe. Er muss die Finanzierungslasten tragen", beschrieb Müller die Linie. Die Länder hätten schließlich schon beim ersten Konjunkturpaket der Bundesregierung die größeren Lasten übernommen. Allerdings beginnen die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern ja jetzt erst.

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