Aufruhr bei Lafontaines Partei Ein holpriger Start für die Linken

BERLIN Mit 9,2 Prozent hat die Linke am vergangenen Sonntag ihr zweitbestes Ergebnis bei Bundestagswahlen erreicht. Trotzdem gärt es in der Partei. Denn wichtige Ziele wie die Oppositionsführerschaft wurden nicht erreicht – und die Fraktion ist plötzlich klar „westlich“ dominiert.

 Oskar Lafontaine hadert mit der Linken-Flüchtlingspolitik.

Oskar Lafontaine hadert mit der Linken-Flüchtlingspolitik.

Foto: dpa/Jan Woitas

Die Linke will in den kommenden vier Jahren als „soziale Opposition“ punkten. So hatte es Fraktionschef Dietmar Bartsch schon am Wahl­abend angekündigt. Doch erst mal ist man mit sich selbst beschäftigt. In den neuen Ländern, wo die Pragmatiker der Partei beheimatet sind, hat die Linke durchweg verloren. Und in den alten Ländern, wo die Basis deutlich radikaler tickt, praktisch überall gewonnen. Auf diese Formel lässt sich das Wahlergebnis bringen. Gerade einmal 17 Prozent der Ostdeutschen haben noch für die Linke votiert. Fast sechs Prozent weniger als im Jahr 2013. Den Status als Protestpartei übernahm im einstigen Kerngebiet der Linken die AfD. Im Westen verbesserte man sich dagegen von 5,6 auf 7,2 Prozent.

Die Folgen sind dramatisch: Von den 69 Abgeordneten der Linken kommen jetzt 44 aus dem Westen und nur noch 25 aus dem Osten. Bislang waren es jeweils 32. „Das politische Gewicht der ostdeutschen Landesverbände schwindet“, heißt es dann auch in einer Wahlanalyse der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung. Was folgt daraus für das Verhältnis zu einer SPD, mit der zusammen man sich jetzt in der Opposition wiederfindet, und die von vielen West-Linken immer noch als ärgster Feind betrachtet wird? Nein, die Fraktion sei nicht radikaler geworden, wird in der Parteiführung versichert. Doch Zweifel sind erlaubt. So haben die Realos Frank Tempel und Axel Troost den Wiedereinzug verpasst. Dafür kommt der baden-württembergische Radikalpazifist Tobias Pflüger für die Linke neu in den Bundestag. Für eine Annäherung der beiden roten Parteien sind das eher schlechte Vorzeichen.

Außerdem werden gerade alte Konflikte wieder neu aufgewärmt. Zunächst hatte Co-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht vor dem Hintergrund der Abwanderung vieler Linken-Wähler zur AfD die Haltung ihrer Partei in der Flüchtlingsfrage („offene Grenzen für alle“) kritisiert. Dann legte ihr Ehemann und Ex-Chef der Linken, Oskar Lafontaine, nach. In einer Facebook-Botschaft nannte er die Flüchtlingspolitik der Partei „verfehlt“. Auch rüffelte der Saarländer die beiden Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger für ihr schlechtes Abschneiden in Sachsen und Baden-Württemberg und unterstellte ihnen, sie hätten sich nie mit den beiden Spitzenkandidaten Wagenknecht und Bartsch abfinden können. In den sozialen Netzwerken gab es daraufhin viel Empörung über Lafontaine. Aus der Parteiführung hieß es gestern, der Saarländer schade damit seiner Ehefrau in der Bundestagsfraktion.

Lafontaine hat die offizielle Linie seiner Partei in der Asylpolitik noch nie gepasst. Und Wagenknecht war ebenfalls immer wieder mit umstrittenen Alleingängen in der Flüchtlingsfrage aufgefallen. So hatte sie im vergangenen Jahr von „Kapazitätsgrenzen und Grenzen der Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung“ gesprochen. Prompt warf Kipping ihr damals vor, aus der Linken eine „AfD light“ machen zu wollen. Beide Genossinnen sind sich in herzlicher Abneigung verbunden.

Allerdings dürfte das Kipping nicht davon abhalten, Bartsch und Wagenknecht erneut als Fraktionsvorsitzende zu empfehlen. Denn ohne die beiden lassen sich die Flügel der Realos und der linken Linken nicht unter einen Hut bringen. Das Vorschlagsrecht haben formal die Parteichefs. Die Wahl der Fraktionsspitze ist für Oktober geplant.

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