Streit um Aufnahme von Flüchtlingen

Luxemburg · Die Flüchtlingswelle nach Europa wächst, Länder wie Italien sind überfordert. Deutschland will die EU-Staaten zu einem Kursschwenk bringen und die Lasten gerechter verteilen. Doch es gibt Widerstand.

Überfüllte Boote, zusammengepferchte Flüchtlinge und Leichen im Meer - seit Monaten schockieren solche Bilder die Europäer. Immer häufiger versuchen verzweifelte Bootsflüchtlinge Europa über das Mittelmeer zu erreichen. In den Händen krimineller Schlepper wagen sie die lebensgefährliche Überfahrt nach Europa. In diesem Jahr fanden dabei bereits 3000 Menschen den Tod.

Die europäischen Innenminister trafen sich gestern, um über das Problem zu beraten. Die Mittelmeerländer, allen voran Italien , kommen damit alleine nicht mehr klar. Statt die Flüchtlinge zu registrieren, lässt Italien viele ohne Prüfung nach Norden reisen. Diese Praxis verstößt ganz klar gegen die europäischen Dublin-Regeln, wonach immer das Land zuständig ist, in dem ein Asylbewerber europäischen Boden betritt. "Das kann nicht so bleiben, wie es jetzt ist", konstatiert Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU ). Er fordert eine andere Lastenteilung in der EU, die Italien - aber ebenso Deutschland - helfen würde. Alle EU-Staaten sollen nach Quoten, gemessen an ihrer Einwohnerzahl, freiwillig und vorübergehend Asylbewerber aufnehmen. Das könnte für ein bis zwei Jahre gelten. Nach Schätzungen von EU-Diplo-maten hätte Deutschland 2013 dann statt der 130 000 etwa 56 000 Asylbewerber weniger nehmen müssen.

Deutschland wird unterstützt von Frankreich, Spanien, Großbritannien, Polen und Österreich. Doch alle EU-Länder müssten bereit sein, in nennenswertem Umfang Flüchtlinge aufzunehmen. Bislang ist das nur bei zehn von 28 EU-Staaten der Fall. Fünf Länder, darunter Deutschland , zählen 75 Prozent aller Asylbewerber. "Das ist nicht in Ordnung", klagt de Maizière. Osteuropäische Staaten, aber auch etwa Portugal beteiligen sich kaum - und sind gegen den Vorstoß. Ein EU-Diplomat sagt: "Die Sache mit der Quote ist absolut Zukunftsmusik."

Auch in der Praxis gäbe es handfeste Probleme. Wer zum Beispiel soll die Verteilung vornehmen? Flüchtlinge müssten zudem im Notfall auch gegen ihren Willen europaweit verteilt werden. Wenn etwa in Italien ein Boot mit tausend Flüchtlingen ankäme, würden diese registriert. In Bussen würden ein paar hundert Flüchtlinge in die Slowakei gebracht - und müssten dort bleiben. Das ruft Kritiker auf den Plan. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl geißelt die Pläne als "Zwangsverteilungsprogramm von Schutzsuchenden", das das Leid von Flüchtlingen vergrößere.

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