Zweiter Anlauf zum NPD-Verbot

Karlsruhe · Die Nervosität war groß. Aber die NPD hat in Karlsruhe keinen echten „Knaller“ zu bieten. Die Länder dürfen weiter auf ein Verbot der Partei hoffen.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe: Peter Huber, Peter Müller, Andreas Voßkuhle (Vorsitz), Herbert Landau und Monika Hermanns (v. l.) Foto: Murat/dpa

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe: Peter Huber, Peter Müller, Andreas Voßkuhle (Vorsitz), Herbert Landau und Monika Hermanns (v. l.) Foto: Murat/dpa

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Der Saarländer Peter Richter, Vertreter der rechtsextremen NPD im Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht , hatte zum Auftakt Mutmaßungen sprießen lassen, er könnte einen noch aktiven V-Mann des Verfassungsschutzes outen und das Verfahren wie schon 2003 an dieser Problematik scheitern lassen. Doch der "Knaller" blieb gestern beim ersten Verhandlungstag aus.

Dagegen wurde die Prozessstrategie der NPD deutlich. Sie sieht sich als Opfer eines politischen Verfahrens. Die Frage nach der rechtzeitigen Abschaltung von V-Leuten in der NPD-Führungsebene bestimmte zunächst die Verhandlung. Sie ist bedeutsam, weil das Gericht sonst nicht unterscheiden kann, ob Äußerungen von Funktionären aus dem rechtsextremen Gedankengut der Partei stammen oder V-Leuten des Staates zuzuordnen sind. NPD-Anwalt Richter verwandte deshalb viel Zeit darauf, die von den Ländern umfangreich protokollierte Abschaltung von "Quellen" des Verfassungsschutzes infrage zu stellen. Er verwies darauf, dass der Bundesrat im ersten Verfahren dazu ja auch schon "die Unwahrheit" gesagt habe und deshalb "weiter erhebliche Zweifel" an dessen Glaubwürdigkeit bestünden.

Doch das reichte den Verfassungshütern nicht: "Sie müssen schon qualifiziert erschüttern", was der Bundesrat vorgelegt habe, forderte etwa der Verfassungsrichter Peter Huber. Falls die Hürde der V-Mann-Problematik genommen wird, steht in den beiden kommenden Verhandlungstagen die eigentliche Kernfrage auf dem Prüfstand: Erfüllt die NPD die Voraussetzungen für ein Parteienverbot?

Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle zufolge können Parteien verboten werden, die "nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen". Um diesen Maßstäben zu genügen, hat der Bundesrat auf Anforderung des Gerichts ein dickes Gutachten nachgereicht, das vor allem im Osten der Republik eine von der NPD verursachte "Atmosphäre der Angst" ausgemacht haben will. Die NPD ist dort demnach die Basis eines rechtsextremistischen Netzwerks, das etwa in Sachsen Andersdenkende einschüchtert, Bürgermeister und ethnische Minderheiten bedroht und das staatliche Gewaltmonopol infrage stellt.

Wie die rechtsextreme Partei auf diese Vorwürfe reagieren wird, deutete deren zweiter Rechtsvertreter, Michael Andrejewski, an: Er bestritt, dass es eine Zusammenarbeit mit gewalttätigen rechtsextremen Kameradschaften gebe. Der Staat lasse diese Gruppen weiter agitieren, um die NPD verbieten zu können, lautete sein Vorwurf.

Dass die NPD sich als Opfer einer von den etablierten Parteien betriebenen Verschwörung sieht, hatte zuvor auch Richter verdeutlicht. Gegen die "Selbstermächtigung der Kanzlerin" in der Flüchtlingsfrage gehe die NPD auf die Straße. Sie solle nun verboten werden, "bevor das Volk die Herrschenden austauschen kann. Das Verbotsverfahren ist politisch motiviert", sagte er.

Der Berichterstatter des Verfahrens, Peter Müller , ließ dies unkommentiert. Gegen ihn und seinen Kollegen Huber stellten die NPD-Vertreter einen Befangenheitsantrag. Müller hatte sich als früherer Ministerpräsident des Saarlands und Huber als einstiger Thüringer Innenminister kritisch zur NPD geäußert. Das Verfassungsgericht sah darin jedoch keinen Befangenheitsgrund und lehnte den Antrag ab. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle sagte, politische Äußerungen seien Richtern des Bundesverfassungsgerichts nicht grundsätzlich verwehrt. Müllers und Hubers politische Ämter hätten politische Meinungsäußerungen geradezu nötig gemacht. Müller zufolge wird das Gericht nun die Kriterien für ein Parteienverbot präzisieren, die 1956 im Verfahren gegen die KPD entwickelt wurden. Dabei gehe es auch um die Frage, ob eine Partei verboten werden kann, wenn sie ihre Ziele auf absehbare Zeit nicht erreicht, oder ob es genügt, dass eine Partei nur "geistiger Brandstifter" ist.

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