Wie Ramsauer die Straßen sicherer machen will

Wenn es um mehr Verkehrssicherheit geht, muss sich Peter Ramsauer derzeit jeden Morgen bei der Fahrt ins Büro ärgern. Vor seinem Ministerium sind die Straßen aufgerissen, die Absperrungen sind verwirrend, klare Hinweise fehlen. So gibt es für Fußgänger, Radler und Autofahrer immer wieder brenzlige Situationen. Der Verkehrsminister will, dass so etwas die Ausnahme bleibt

Wenn es um mehr Verkehrssicherheit geht, muss sich Peter Ramsauer derzeit jeden Morgen bei der Fahrt ins Büro ärgern. Vor seinem Ministerium sind die Straßen aufgerissen, die Absperrungen sind verwirrend, klare Hinweise fehlen. So gibt es für Fußgänger, Radler und Autofahrer immer wieder brenzlige Situationen. Der Verkehrsminister will, dass so etwas die Ausnahme bleibt. Sein Ziel hat er gestern klar formuliert: Im Jahr 2020 soll es höchstens 2300 Verkehrstote geben. Ein Maßnahmenpaket soll den Trend zum sicheren Verkehr stabilisieren. Ramsauer erinnerte daran, wie schlimm es früher einmal war: "1970, im bisher schwärzesten Jahr der Unfallstatistik, waren 21 332 Todesopfer zu beklagen." Von solchen Horrorzahlen ist Deutschland inzwischen weit entfernt: Im vergangenen Jahr wurden 3650 Menschen getötet - der tiefste Wert seit Beginn der Unfallstatistik 1953.Ähnlich erfreulich ist die Entwicklung im Saarland, wo es 2010 zwar immer noch 42 Tote gab. Diese Zahl hat sich seit 1999 aber mehr als halbiert. Und dank "eines ganzen Bündels von Maßnahmen", wie der Verkehrsexperte der saarländischen Polizei, Bernd Brutscher, erklärt, sei in den vergangenen vier Jahrzehnten "einiges erreicht" worden. Technische Neuerungen, schärfere Gesetze und Kontrollen, bessere medizinische Hilfe und die Verkehrserziehung in den Schulen haben laut Brutscher dazu beigetragen, dass es immer weniger Tote auf den Straßen im Saarland gibt. 341 lautet die heute beinahe unfassbare Rekordzahl der Verkehrstoten im Land, sie stammt aus dem Jahr 1972. Brutscher sagt aber auch klipp und klar: "Stillstand ist Rückschritt!" Was bedeutet, dass alle Beteiligten weiter "an einem Strang" ziehen müssten, um die Zahlen weiter nach unten zu drücken.

Das ist ganz im Sinne des Verkehrsministers. Ramsauer wünscht sich zum einen, dass die Verkehrsteilnehmer noch besser über Risiken im Straßenverkehr aufgeklärt werden. Zweitens fordert er, die Fahrzeugtechnik weiter zu verbessern, etwa auch durch eine Ausstattung aller Motorräder ab 125 Kubik mit automatischen Blockiersystemen. Schließlich sind 17 Prozent der Verkehrstoten Motorradfahrer. Drittens will Ramsauer erreichen, dass es bei den Straßen Sicherheitsverbesserungen gibt. Dazu gehört die Freigabe von Standstreifen an langen Autobahnsteigungen, wo Lastwagen oft alles blockieren. Oder mehr Rüttelstreifen, die ein Abkommen von der Fahrbahn erschweren. Unfallschwerpunkte auf Landstraßen könnten durch dritte Fahrstreifen entschärft werden, die sicheres Überholen ermöglichen. Hinzu kommen flexiblere Tempolimits und mehr Blitzer. Was auch helfen soll: Ramsauer will mit dem Gesundheitsministerium besprechen, ob bei den Beipackzetteln bestimmter Medikamente deutlicher auf eine mögliche Einschränkung der Fahrtüchtigkeit hingewiesen werden kann. Zudem droht er weiterhin mit einer Helmpflicht für Radfahrer - sollte die Tragequote nicht rasch auf rund 50 Prozent steigen. Derzeit liegt sie bei lediglich neun Prozent.

Ob die genannten Maßnahmen wirklich ausreichen, um die Straßen sicherer zu machen, davon ist nicht jeder in Deutschland überzeugt. Der Auto Club Europa (ACE) zum Beispiel fordert ein komplettes Alkoholverbot am Steuer. Die Grünen wiederum fordern ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen. Zudem wollen sie flächendeckend nur noch Tempo 30 innerhalb von Ortschaften. Und der FDP-Verkehrsexperte und Chef der Liberalen im Saarland, Oliver Luksic, wünscht sich, dass eine Ausweitung des begleiteten Fahrens geprüft wird. Bisher dürfen schon 17-Jährige in Begleitung eines Erwachsenen fahren - dadurch können Unfälle durch Fahranfänger verringert werden. Luksic unterstützt eine Senkung auf 16 Jahre.

Eine Altersgrenze beim Autofahren lehnt Ramsauer übrigens ab. Er betont, der Anteil der über 65-Jährigen an Unfällen betrage nur elf Prozent. FDP-Mann Luksic macht sich für freiwillige Gesundheitschecks stark. Die persönliche Freiheit älterer Menschen möchte er wie Ramsauer aber nicht beschneiden. Drohungen mit Führerschein-Entzug seien fehl am Platze.Foto: Pilick/dpa

Meinung

Angezogene Handbremse

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß

In Deutschland kommt es alle 13 Sekunden zu einem Verkehrsunfall. Fast jede Minute wird dabei ein Mensch verletzt, alle zwei Stunden stirbt jemand. Das sind die erschreckenden Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Möge also niemand behaupten, neue Sicherheitsmaßnahmen dienten vor allem der Gängelung von Autofahrern und Radlern oder seien eine Beschäftigungstherapie für gelangweilte Politiker.

Die Statistik belegt, dass mehr Sicherheit dringend notwendig ist. Doch es gibt ein entscheidendes Problem: Viel ist im Programm von Verkehrsminister Ramsauer von werben, unterstützen, sensibilisieren und aufklären die Rede - zu wenig ist ganz konkret. Der Bayer weiß: Wer zusätzliche Sicherheit will, muss mitunter zusätzliches Geld in die Hand nehmen. Mittel, die er nicht hat. Ramsauers Sicherheitsprogramm ist daher mit angezogener Handbremse geschrieben. Das ist der große Schwachpunkt.

Hintergrund

Die saarländische Polizei ist stets darum bemüht, Unfallschwerpunkte im Land zu entschärfen. Um dies tun zu können, ist zunächst eine Analyse besonders gefährlicher Strecken erforderlich. In den Jahren 2008 bis 2010 gab es die meisten Unfälle mit Schwerverletzten und/oder Toten auf folgenden Straßen im Saarland:

Neun Unfälle mit Schwerverletzten oder Toten: B 41 Saarbrücken (Dudweiler Straße).

Acht Unfälle: L 157 Losheim-Bachem, L 139/L 344 Schwalbach (Hauptstraße, Bouser Straße), B 40 St. Ingbert-Rohrbach (Obere Kaiserstraße).

Sieben Unfälle: L 174 Dillingen (Merziger Straße), L 170 Saarlouis (Wallerfanger Straße), L 105 Kleinblittersdorf.

Sechs Unfälle: L 287 Neunkirchen (Rombachaufstieg), B 51 Saarbrücken (Mainzer Straße), L 151 Siersburg.

Weitere Gefahrenstrecken sind zum Beispiel die L 247 zwischen Fischbach und Holz, die L 125/L 126 in Sulzbach oder die B 41 Richtung St. Wendel. tho

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