Späh-Affäre wirft schlechtes Licht auf den BND

Berlin · Wussten Regierende und Geheimdienstler in Deutschland tatsächlich nichts von der gigantischen Datensammlung durch die Amerikaner? Neue Hinweise nähren Zweifel an dieser Version. Die Bundesregierung gerät immer mehr unter Druck – und kann dabei kaum auf Aufklärung aus den USA hoffen.

Die Späh-Affäre ist für die Bundesregierung zum echten Problem geworden. Vor Wochen gelangten die ersten Vorwürfe an die Öffentlichkeit, dass der US-Geheimdienst NSA angeblich massenhaft die Kommunikation deutscher Bürger und auch Politiker überwacht. Anfangs setzte sich die Regierung an die Spitze der Empörten. Inzwischen aber richten sich immer mehr Anschuldigungen gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Team. Zum geballten Spott der Opposition über die dürftigen Aufklärungsfortschritte kommen Hinweise, dass Regierende und Geheimdienstler möglicherweise doch mehr wussten, als sie zugeben.

Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Details über die vermeintlichen Spähaktionen der Amerikaner ans Licht kommen. Der neueste Aufreger: Angeblich wusste der Bundesnachrichtendienst (BND) - der deutsche Auslandsgeheimdienst - seit Jahren über die Praxis der Kollegen beim NSA Bescheid und profitierte davon auch. Laut "Bild"-Zeitung bat der BND die US-Geheimdienstler in den vergangenen Jahren immer wieder um Hilfe, wenn deutsche Staatsbürger im Ausland entführt wurden. Dabei sei es um die Abfrage gespeicherter Kommunikationsvorgänge von Deutschen gegangen.

Die Regierung reagierte gestern schmallippig auf den Bericht. Dass deutsche und ausländische Nachrichtendienste zusammenarbeiten, sei kein Geheimnis, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Aber über operative Details der Arbeit könne man öffentlich nichts sagen. Der BND war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Regierung und Nachrichtendienste in Deutschland beteuern seit Wochen, sie hätten vom Ausmaß der Spähaktionen nichts geahnt. Doch die Opposition zweifelt das an. Auch die große Mehrheit der Bürger glaubt laut einer Umfrage nicht an diese Unwissenheit.

Aus den USA kommt wenig, was die Regierung als Beitrag zur Aufklärung präsentieren könnte. Die Amerikaner halten die Deutschen beharrlich hin. Schriftliche Anfragen aus der Ferne beantworteten sie erst gar nicht. Und auch als Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) beim Washington-Besuch direkt nachhakte, hielt sich die Auskunftsfreude der Partner in Grenzen. Die US-Regierung macht keine Anstalten, ihr Tun offenzulegen.

Deutschland hat wenig Möglichkeiten, selbst Druck auf die Amerikaner zu machen. Immer mal wieder ist drohend, aber hinreichend vage die Rede davon, möglicherweise die europäischen Abkommen zum Datenaustausch mit den USA aufzukündigen. Das wäre aber kompliziert. Außerdem müssten die Deutschen dafür die EU-Partner an ihrer Seite haben. Eine solche geschlossene Aktion ist derzeit nicht in Sicht.

Außerdem wollen die deutschen Geheimdienste auch in Zukunft Informationen ihrer US-Kollegen bekommen. Das betont Friedrich bei jeder Gelegenheit. Die Amerikaner sitzen am längeren Hebel.

Die Opposition weiß um die missliche Lage der Regierung. Politiker aus ihren Reihen fordern nun einen Untersuchungsausschuss - Linke und Grüne vorneweg, die SPD hält sich damit etwas zurück. Denn bei einem Rundumschlag zum Handeln der Nachrichtendienste und der Kooperation mit den Amerikanern in den vergangenen Jahren müssten sich auch die Sozialdemokraten unangenehme Fragen zu der Zeit gefallen lassen, in denen sie mit in der Regierung saßen.

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HintergrundDer Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele hat wegen der Späh-Affäre eine Aussage Angela Merkels (CDU) vor dem Geheimdienst-Ausschuss gefordert. "Die Kanzlerin selbst muss vor das Parlamentarische Kontrollgremium", sagte Ströbele gestern. Sie dürfe sich nicht hinter den zuständigen Ministern verstecken. "Sie selbst muss die Verantwortung für das Versagen ihres Kanzleramts bei der Wahrung der Bürgerrechte übernehmen". Der Grüne kritisierte auch das Ergebnis der USA-Reise von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). "Das Mindeste" wäre ein sofortiger Stopp der Spionageprogramme Prism und Tempora gewesen. Friedrich wird sich morgen dazu vor dem Innenausschuss äußern. afp

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