Ökologischer Fußabdruck soll dem Klima helfenUN-Konferenz soll endlich Lösungen für Klimaschutz bringen

Berlin. Mit rund elf Tonnen Kohlenstoffdioxid trägt jeder Deutsche im Jahr zum globalen Treibhausgasausstoß bei. Berechnungen legen nahe, dass dieser Wert im weltweiten Durchschnitt bis 2050 auf rund zwei Tonnen sinken muss, um das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu beschränken, einhalten zu können

 In Staaten wie Großbritannien haben Verpackungen einen "Fußabdruck", der den Verbrauchern sagt, wie viel CO2 in dem Produkt steckt. Wissenschaftler planen Ähnliches für Deutschland. Foto: dpa

In Staaten wie Großbritannien haben Verpackungen einen "Fußabdruck", der den Verbrauchern sagt, wie viel CO2 in dem Produkt steckt. Wissenschaftler planen Ähnliches für Deutschland. Foto: dpa

Berlin. Mit rund elf Tonnen Kohlenstoffdioxid trägt jeder Deutsche im Jahr zum globalen Treibhausgasausstoß bei. Berechnungen legen nahe, dass dieser Wert im weltweiten Durchschnitt bis 2050 auf rund zwei Tonnen sinken muss, um das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu beschränken, einhalten zu können. Ab heute beraten die Klimaunterhändler in Bonn erneut über die nächsten Schritte im weltweiten Kampf gegen den Klimawandel (siehe Text rechts). Parallel zu den offiziellen Verhandlungen wird fieberhaft überlegt, wie der Klimaschutz auf nicht-staatlicher Ebene vorangetrieben werden kann.

Ein Projekt, das sich direkt an die Verbraucher richtet, ist die Einführung eines so genannten CO2-Labels - eine Art Kalorienzähler für den klimabewussten Verbraucher. Bei einem Auto gibt der Spritverbrauch einen Hinweis auf die Klimabelastung, bei der Waschmaschine die Effizienzklasse. Aber bei einem T-Shirt oder einer Tüte Chips? Der Bundesverband Verbraucherzentralen schätzt, dass Verbraucher bis zu 76 Prozent Strom, Geld und Kohlendioxid sparen können, wenn sie bewusst einkaufen.

Jacob Bilabel ist Geschäftsführer von "Thema 1", eines Think-Tanks, der das Projekt des sogenannten CO2-Fußabdrucks in Deutschland vorantreibt. Gemeinsam mit dem Öko-Institut und dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung hat "Thema 1" die PCF-Plattform zur Förderung klimaverträglichen Konsums initiiert, an der derzeit neun Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen teilnehmen. Die Partner wollen herausfinden, wann im Laufe eines Produktlebens Treibhausgase anfallen, wie diese reduziert werden können und wie Verbraucher zu klimaverträglichem Konsum ermuntert werden können. "Es geht nicht darum, Kaufverbote zu machen, sondern Wege in Richtung klimaverträglichen Konsums zu weisen", fasst Bilabel das Vorhaben zusammen.

In Großbritannien tauchte erstmals 2007 ein kleiner schwarzer Fußabdruck auf Verpackungen auf, der Verbrauchern sagte, wie viel CO2 in dem Produkt steckt. Seitdem können Käufer einer kleinen Chipstüte entnehmen, dass von der Herstellung bis zur Entsorgung des Snacks samt seiner Verpackung 75 Gramm Kohlendioxid anfallen, bei einem Viertel Liter frisch gepresster Orangensaft sind es 400 Gramm CO2. Ähnliche Projekte gibt es in Österreich und der Schweiz.

In Deutschland wird derzeit noch experimentiert. "Die Grammzahl allein ist nicht entscheidend", sagt Bilabel. Denn wer könne schon einschätzen, ob 75 Gramm CO2 für eine Chipstüte viel oder wenig seien. Letzten Endes sei entscheidend, dass der Verbraucher eine Handlungsempfehlung bekomme. Denkbar ist von der bloßen Kennzeichnung, dass der CO2-Verbrauch überhaupt berechnet wurde, über ein Ampelsystem bis hin zu preislichen Anreizen vieles.

Zunächst gehe es darum, dass die Unternehmen ein Bewusstsein dafür entwickelten, wo sich in der Produktkette Klimakiller verbergen. "Die Ergebnisse verdeutlichen, welche Rohstoffe und Prozessschritte besonders hohe Emissionen verursachen, und decken sinnvolle Ansatzpunkte für Reduktionsmaßnahmen auf", stellte etwa Uwe Bergmann von Henkel zum Start der zweiten Phase der PCF-Plattform im Mai fest.

Beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zeigt man sich offen hinsichtlich möglicher Optimierungsverfahren. Gerade wird in Zusammenarbeit mit dem Bundesumweltministerium ein Leitfaden erarbeitet, der Unternehmen konkrete Hinweise geben soll, wie sie den CO2-Fußabdruck erfassen können. Im Oktober soll er vorgestellt werden. Intern handle es sich bei der CO2-Berechnung durchaus um "ein sinnvolles Optimierungswerkzeug", sagt Franz-Josef von Kempis vom BDI. Zweifel äußert er allerdings an der öffentlichen Kennzeichnung. "Wir halten das für einen Irrweg", stellt er klar. Klimaschutz sei nur ein Baustein, man müsse Verbrauchern aber Informationen über alle umweltrelevanten Aspekte zur Verfügung stellen. "Wir wollen eine vernünftige Kennzeichnung und keine, die dem Verbraucher etwas vorgaukelt", sagt von Kempis.

Auch im Haus von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) setzt man auf den Umweltengel. CO2-Labels seien zwar "ein wichtiges Instrument zur Förderung eines klimaverträglicheren Konsums", die Umsetzung sei aus methodischen Gründen derzeit allerdings schwierig, heißt es in einem Memorandum des Ministeriums. Unabhängig davon sei es fraglich, ob und welche Etikette überhaupt zu klimabewussterem Konsum beitragen könnten. Zunächst sollen daher bis Ende 2011 die 100 klimarelevantesten Produkt- und Dienstleistungsgruppen mit einem Engel ausgezeichnet werden, der den Zusatz "schützt das Klima" enthält.Bonn. Auf einer UN-Arbeitskonferenz in Bonn soll der weltweite Klimaschutz aus der Starre gelöst werden. Die fünftägige Verhandlungsrunde dient der Vorbereitung des nächsten Weltklimagipfels im mexikanischen Cancún im November/Dezember. Die Erwartungen für Cancún sind angesichts weitgehend festgefahrener Verhandlungen gedämpft. Ein umfassendes und verbindliches Abkommen, über das bereits seit mehreren Jahren verhandelt wird, gilt auch in Cancún als unwahrscheinlich. In Bonn sollen die Klima-Unterhändler aus aller Welt von heute an zumindest mehr Klarheit darüber schaffen, was in Cancún konkret angestrebt werden soll.

Durch den Schwebezustand bei der US-Klimagesetzgebung sind inzwischen auch Hoffnungen weitgehend zerstoben, dass die USA bei der Minderung von Treibhausgasen mit eigenen Verpflichtungen mit im Boot sein könnten. Die neue Chefin des UN-Klimasekretariats, Christiana Figueres, appellierte vor ihrer Konferenzpremiere an die Regierungen, es liege in deren Hand, beim Klimaschutz gemeinsam aktiv zu werden. Doch auch ein halbes Jahr nach dem weitgehenden Scheitern des Weltklimagipfels von Kopenhagen ist ein neues Abkommen nicht in Sicht.

Welt ohne Klima-Abkommen?

Auch die Signale dafür fehlen - vor allem bei der strittigen Minderung der klimaschädlichen Treibhausgase. Von Washington ist bis auf weiteres keine Bewegung zu erwarten. Und die EU zieht es vor, auf der Stelle zu treten. Die derzeit verfahrene Situation könnte dazu führen, dass die Weltgemeinschaft nach 2012 ohne gültiges Klima-Abkommen bleibt. Dann ist die erste Phase des Kyoto-Protokolls von 1997 ausgelaufen. Eine Fortschreibung ist ungewiss, und das Protokoll hat ohnehin das Manko, dass die USA nicht unterzeichnet haben. Das UN-Klimasekretariat hat für die Bonner Konferenz schon mal ein Papier erarbeitet über die rechtlichen Optionen und Folgen, falls es zu einer Klimaschutzlücke ohne neues Abkommen und ohne Fortführung des Kyoto-Protokolls kommen sollte. Zusammen mit den USA ist China der weltweit größte Klimasünder. Das Land spielt bei den Verhandlungen eine zunehmend wichtige Rolle als Gegenpol der Industrieländer.dpa

"Es geht nicht

um Kaufverbote, sondern darum, Wege in Richtung klimaverträglichen Konsums

zu weisen."

Jacob Bilabel, Geschäftsführer

von "Thema 1"

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