Historiker: Politiker und Beamte wussten vom Risiko in Asse

Wolfenbüttel. Malerisch wirkt die Hügellandschaft mit den Getreidefeldern und einem Höhenzug mittendrin. Doch die Idylle trügt. Der Höhenzug heißt Asse, bundesweit als marodes Atommülllager bekannt. Vor rund 40 Jahren angelegt, gilt es heute als eines der größten Umweltprobleme Deutschlands

Wolfenbüttel. Malerisch wirkt die Hügellandschaft mit den Getreidefeldern und einem Höhenzug mittendrin. Doch die Idylle trügt. Der Höhenzug heißt Asse, bundesweit als marodes Atommülllager bekannt. Vor rund 40 Jahren angelegt, gilt es heute als eines der größten Umweltprobleme Deutschlands. Für seine Doktorarbeit an der Universität der Bundeswehr in Hamburg hat sich der Historiker Detlev Möller fünf Jahre lang durch Akten, Notizen und Unterlagen zur Asse gekämpft. "Man hat ein nicht unerhebliches Restrisiko in Kauf genommen. Man kann es auch Fahrlässigkeit oder Unverantwortlichkeit nennen", sagt Möller über Politiker, Wissenschaftler und Beamte, die seit den 60er Jahren Entscheidungen zur Asse beeinflusst oder getroffen haben.

Für Möller steht fest: Die Asse war von Anfang an als Endlager geplant. "Die Asse sollte der Entlastung der Zwischenlager dienen und war damit nicht in erster Linie als Versuchsbergwerk gedacht", sagt der Historiker. Und fügt hinzu: "Die Verantwortlichen wussten bereits 1967, dass kein Raum in der Grube trocken bleiben würde."

Heute bereiten Wassereinbrüche und die Einsturzgefahr der Asse Politikern und Bürgern Sorge. Drei Optionen stehen zur Diskussion: Die Einbetonierung, die Umlagerung im Bergwerk und die Rückholung der 126 000 Fässer mit Atommüll. Egal, welche Variante gewählt wird, es wird teuer: "Die Asse kostet den Steuerzahler bei der Sanierung zwei, drei, vielleicht auch vier Milliarden Euro", sagt Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD).

Möllers Recherchen ergaben: "Der Strahlenschutz wurde ab 1968 der Reaktorentwicklung untergeordnet. Gefahren wurden systematisch ausgeblendet oder beschönigt." Der Atomindustrie sollte signalisiert werden, dass die Abfälle kein Problem seien. Dabei wurde die Asse nach Möllers Recherchen anfangs durchaus von Politikern und Medien als Endlager bezeichnet. "Das geriet in Vergessenheit." Von 1974 an gab es dann eine neue Sprachregelung, und es wurde nur noch von einem Forschungslager gesprochen. dpa

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