Zur Seelsorge an den HindukuschObama will Ausbau der afghanischen Armee vorantreiben

Saarlouis. Im Norden Afghanistans liegt in der kargen Wüste ein abgeschirmtes Feldlager: groß, flach und heiß. Im Camp Marmal bei Masar-i-Scharif klettern die Temperaturen im Sommer bis auf 45 Grad Celsius. Hier sind die Soldaten der internationalen Schutztruppe Isaf untergebracht, darunter 2000 Deutsche

Saarlouis. Im Norden Afghanistans liegt in der kargen Wüste ein abgeschirmtes Feldlager: groß, flach und heiß. Im Camp Marmal bei Masar-i-Scharif klettern die Temperaturen im Sommer bis auf 45 Grad Celsius. Hier sind die Soldaten der internationalen Schutztruppe Isaf untergebracht, darunter 2000 Deutsche. Am Fuß des Marmal-Gebirges, in Kundus und Feisabad, verteidigen insgesamt 3800 deutsche Soldaten die Sicherheit Afghanistans.Gestern verlegte auch Pfarrerin Annegret Wirges für vier Monate ihren Arbeitsplatz von Saarlouis ins Soldatenlager Masar-i-Scharif. Sie ist die erste deutsche Militärseelsorgerin in Afghanistan. Die hochgewachsene 48-jährige Theologin mit kurzen Haaren wirkt zupackend, patent und schnörkellos, seit zehn Jahren fährt sie ein BMW-Tourenmotorrad. Die Anspannung vor ihrem Auslandseinsatz habe sich nach einem ersten kurzen Besuch in Afghanistan gelegt, sagt sie. Nun weiß Wirges, wie ihre neue Wirkungsstätte aussieht, sie kennt die Kapelle im Camp, den Raum der Stille, das Kreuz, die Glocke. Ihr Einsatz wird hauptsächlich darin bestehen, in vielen Gottesdiensten, Ansprachen und Gesprächen Trost zu spenden. In zweieinhalb Jahren als evangelische Militärseelsorgerin der Luftlandebrigade 26 in Saarlouis, Lebach und Merzig sammelte die Pfarrerin bereits einschlägige Erfahrungen. Sie musste zwei Soldaten beerdigen, die Opfer von Verkehrsunfällen wurden. In Afghanistan muss sie mit mehr Todesfällen rechnen. Ihr Vorgänger, der evangelische Militärdekan Stefan Werdelis, nahm in seinem viermonatigen Aufenthalt im Camp Marmal an Trauerappellen für fünf getötete deutsche Soldaten, drei Amerikaner und einen Norweger teil. Der Wunsch nach unmittelbarer Teilnahme war Teil ihrer Motivation, nach 15 Jahren Krankenhausseelsorge zum Militär zu wechseln. Wenn die Soldaten in Afghanistan ihren schweren Dienst tun, will sie zuhören, Zuwendung geben, trösten. "Ich kann keinem die Furcht nehmen", betont die Theologin. Es sei aber möglich, einen Ort der Ruhe zu geben, Raum für Fragen, Zweifel und Sehnsüchte. Beim Gespräch mit Pfarrerin Wirges ist Hauptmann Claus-Peter Schulz anwesend, Presseoffizier der Luftlandebrigade 26, der Saarlandbrigade. Er unterstreicht nachdrücklich die Bedeutung der Militärseelsorge: "Der Pfarrer ist eine wichtige Vertrauensperson." Als einzige unabhängige Instanz in einem hierarchischen System wird er zum Ansprechpartner, wenn die Gespräche mit den Kameraden nicht mehr weiterführen, wenn die ständige Anspannung zum Trauma führt, wenn die Frage nach dem Sinn des Auslandeinsatzes nicht mehr beantwortet werden kann. Manche hielten dem Druck nicht Stand und müssten vorzeitig zurück, berichtet Schulz, häufig könne dabei der Militärseelsorger helfen. Der Hauptmann hat viele Abstufungen von Traumatisierung bei Soldaten erlebt. Was sich als Störung manifestiere, trete nicht immer direkt auf, oft erst Monate nach dem eigentlichen Ereignis. Doch gelte generell: Wer bei einem Anschlag dabei war, werde vorsorglich abgelöst.London. US-Präsident Barack Obama will den Ausbau der afghanischen Armee deutlich vorantreiben. Nach der Präsidentschaftswahl in Afghanistan am 20. August müsse ein Schwerpunkt auf den Ausbau der landeseigenen Armee und Polizei gelegt werden, sagte Obama am Samstag. Die afghanischen Sicherheitskräfte müssten in die Lage versetzt werden, "wirklich an vorderster Front" für Sicherheit im Land zu sorgen. "Das Wichtigste, das wir tun können, ist, unsere militärischen Bemühungen mit wirksamer Diplomatie und Entwicklung zu kombinieren, so dass die Afghanen eine größere Fähigkeit haben, ihr Land zu sichern", sagte der US-Präsident. Der britische Außenminister David Miliband verteidigte derweil den Militäreinsatz gegen wachsende Kritik im eigenen Land. Es müsse verhindert werden, dass Afghanistan wieder ein "Brutkasten für den Terrorismus" werde. Seit Anfang Juli kamen in Afghanistan 15 britische Soldaten ums Leben, allein am Donnerstag und Freitag wurden in 24 Stunden acht Soldaten getötet. Damit stieg die Zahl der seit 2001 in Afghanistan getöteten Armee-Angehörigen auf 184 und übertraf die Zahl der im Irak getöteten 179 britischen Soldaten. afp

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