Gepflegt wie bei Werner Höfers Frühschoppen

Berlin. Nach fünf Minuten fragt Maybrit Illner, was eigentlich wäre, wenn die Zuschauer nach diesem Duell zu dem Schluss kämen, da seien zwei, die sich eigentlich prima verstünden und doch einfach weiter zusammen regieren sollten. Und nach zehn Minuten sagt Peter Limbourg, das klinge ihm alles hier mehr nach Duett als Duell

Berlin. Nach fünf Minuten fragt Maybrit Illner, was eigentlich wäre, wenn die Zuschauer nach diesem Duell zu dem Schluss kämen, da seien zwei, die sich eigentlich prima verstünden und doch einfach weiter zusammen regieren sollten. Und nach zehn Minuten sagt Peter Limbourg, das klinge ihm alles hier mehr nach Duett als Duell. Angela Merkel antwortet da noch, man solle erst mal "in medias res" gehen, also mit der Debatte loslegen. "Sie können mich ja fünf Minuten vor Schluss wieder fragen, ob es ein Duett oder Duell geworden ist". Nach 30 Minuten erinnert Frank Plasberg die Kandidaten ausdrücklich daran, dass sie sich im Wahlkampf befinden.

Irgendwie kennt man das vom Fußball, wenn Jahrhundertspiele angekündigt werden, und dann doch nur ein zwar elegantes, aber doch torloses Gekicke herauskommt. Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier liefern sich am Sonntag kein TV-Duell der Superlative, sondern eine gehobene Diskussion wie früher in Werner Höfers Frühschoppen. Nur ohne Wein und Zigarren.

Der Kandidat versucht sein bestes. Er fordert Merkel immer wieder heraus. Zum Beispiel wegen der Managergehälter. Es reiche nicht, nur international für Finanzmarktregeln zu sein, man müsse das auch national umsetzen. Aber alles perlt an Merkel ab wie an Teflon. Natürlich, sagt sie, müsse man auch national was machen, und schimpft über die hohen Abfindungen für Manager. Der Kandidat kommt mit seiner Idee einer Finanzmarktsteuer. "Kann man machen", sagt Merkel. "Aber nur, wenn es international ist". Der Kandidat warnt vor Schwarz-Gelb. Merkel sagt, sie kandidiere nicht für eine Koalition, sondern dafür, dass die Union stärker werde. Der Kandidat sagt, dass er sich im Januar für die Opel-Rettung eingesetzt habe, "Stellen Sie sich mal vor, Schwarz-Gelb hätte regiert, dann wäre Opel heute mausetot". Er blickt dabei triumphierend. Diesen Satz hat er gut vorbereitet. Merkel sagt, auch die schwarz-gelb-regierten Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen hätten sich für die Opel-Rettung eingesetzt, "genauso wie ich es getan habe, und wie sie es getan haben, Herr Steinmeier". Es ist kein Durchkommen. Dass es einen großen parteipolitischen Unterschied zwischen beiden gibt, erkennt man phasenweise nur daran, dass Merkel eine Kette im Orange der CDU trägt und Steinmeier einen Schlips im SPD-Rot.

Die Debatte bleibt über weite Strecken ein gepflegtes Unentschieden. Aber was für ein Rummel. Auf vier TV-Kanälen gucken geschätzte 20 Millionen Zuschauer zu. Für einen halben Tag lang ist das Studiogelände in Berlin-Adlershof das politische und mediale Zentrum der Republik.

Zahlreiche Schaulustige lauern an der der Zufahrt zum Studio. Die erste Wagenkolonne fährt vor - es ist die von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Dezent lächelnd steigt er aus dem Wagen, er winkt den Fotografen kurz zu, seine Frau Elke Büdenbender ist mitgekommen. An ihrer schwarzen Handtasche hat sie einen roten Schal gebunden - ein Glücksbringer? Begrüßt werden beide von ZDF-Intendant Markus Schächter und RTL-Moderator Peter Kloeppel. Angespannt sieht Steinmeier nicht aus, er scheint so gut es geht gelassen zu sein.

Zehn Minuten später kommt die Kanzlerin mit großem Gefolge. Mit Merkel steigen ihre wichtigsten Beraterinnen aus dem Wagen: Ihre Medienexpertin Eva Christiansen und Beate Baumann, ihre Büroleiterin und engste Vertraute. Merkels Mann Joachim Sauer ist wie immer nicht dabei. Er guckt das Duell zu Hause.

Steinmeiers Strategen brüteten vor dem Duell vor allen Dingen über eine Frage: Soll der Kandidat Merkel schärfer attackieren, wie es viele in der eigenen Partei erwarten? Oder gerade nicht, weil man eine Frau nicht angreift und das nicht souverän wirkt? Das Problem hatte 2005 schon Schröder und entschloss sich ersatzweise für eine Liebeserklärung an seine Frau Doris. Steinmeiers Stil ist das nicht.

Er versucht es immer wieder inhaltlich. Wenn CDU und FDP wie in ihren Wahlprogrammen versprochen die Steuern senken wollten, dann koste das 50 Milliarden Euro im Jahr. Dafür brauche man ein Wirtschaftswachstum von neun Prozent, so viel wie Deutschland noch nie hatte, rechnet der 53-Jährige mit erhobenem Zeigefinger vor. "Das kommt nicht". Merkel entgegnet: "Das kommt auch nicht. Aber mehr Wachstum als jetzt ist möglich". So geht es die ganze Zeit.

Die Moderatoren haben sich gut vorbereitet. Bis in Details fragen sie nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, es ist klar der Schwerpunkt der Sendung. Weil es dabei aber immer wieder auch um zurückliegende Entscheidungen geht, kann naturgemäß eine Konfrontation der beiden Hauptfiguren der Großen Koalitionen nicht entstehen. Das trägt zu dem müden Gesamteindruck der Debatte bei. Nach 75 Minuten fühlt sich Limburg an ein "älteres Ehepaar" erinnert. Steinmeier antwortet sauer: "Was erwarten Sie, dass wir uns distanzieren, von dem was wir gemeinsam gemacht haben?" fährt er den Moderator an. Danach geht zur Abwechselung Merkel zur Abteilung Attacke über, allerdings verhalten. Als mache sie sich Sorgen um den Kontrahenten, redet sie über die Zerrissenheit der SPD, "die insgesamt nicht mehr weiß wohin".

Draußen im Pressezentrum hat SPD-Chef Franz Müntefering schon zu Beginn die Erwartungen tief gehängt: "Ich empfehle, nicht darauf zu warten, dass etwas Spektakuläres passiert." Er behält bis zu Minute 90 Recht, als beide Kandidaten ihre Schlussworte an die lieben Wählerinnen und Wähler gerichtet haben. Und auch die Zeitkonten sind jetzt fast exakt ausgeglichen. "Stellen Sie sich vor, Schwarz-Gelb hätte regiert - dann wäre Opel

heute mausetot."

Frank Walter Steinmeier

"Weil es eine bessere Alternative gibt,

nämlich mich."

Frank-Walter Steinmeier auf die Frage, warum Angela Merkel nach der Wahl nicht mehr Kanzlerin sein sollte.

"Ich beantworte die Fragen, so wie ich es mir vorgenommen habe."

Angela Merkel

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