"Missstände in Heimen sind eine kollektive Bankrott-Erklärung"

Saarbrücken. Über Missstände in Pflegeheimen braucht man Claus Fussek nichts zu erzählen. Spätestens seit seinem Buch "Im Netz der Pflegemafia. Wie mit menschenunwürdiger Pflege Geschäfte gemacht werden" gilt er als eine Art "Pflege-Papst"

Saarbrücken. Über Missstände in Pflegeheimen braucht man Claus Fussek nichts zu erzählen. Spätestens seit seinem Buch "Im Netz der Pflegemafia. Wie mit menschenunwürdiger Pflege Geschäfte gemacht werden" gilt er als eine Art "Pflege-Papst". So kann ihn die gerade vorgestellte Studie der Uni Witten/Herdecke beim besten Willen nicht mehr überraschen, in Rage bringt ihn das Thema aber allemal."Wir haben ein gesamtgesellschaftliches Problem. Und alle wissen Bescheid. Offensichtlich verdrängen wir kollektiv, dass wir in einer Gourmet-Gesellschaft in einem der reichsten Länder der Welt nicht in der Lage sind, unsere Kinder und unsere Alten ausreichend zu ernähren", sagt Fussek. Das sei eine gesellschaftliche "Bankrott-Erklärung", für die sich offenbar noch nicht einmal jemand schäme. Man stelle sich vor, so Fussek, Eisbär Knut wäre nicht 24 Stunden am Tag von seinem Tierpfleger betreut und gefüttert worden, in ganz Deutschland hätte es einen kollektiven Aufschrei gegeben. Bestimmt wäre niemand auf die Idee gekommen, dem kleinen Eisbären eine Magensonde zu legen, wenn er nicht gefressen hätte. Fussek: "Es kann und darf nicht sein, dass in Deutschland zehntausende Menschen in Krankenhäusern und Pflegeheimen, die 3500 Euro im Monat kosten, mangelernährt sind." Selbstverständlich gehe das auch anders. "In vielen Heimen gibt es eine andere Grundhaltung. Dort fühlen sich viele zuständig und verantwortlich, dass die Alten Essen und Trinken in angemessenem Tempo bekommen." So lautet Fusseks Fazit: In keiner Gemeinde Deutschlands dürfe ein Mensch wegen Zeit- oder Personalproblemen mangelernährt sein. "Erschreckend" findet es der Experte, dass dieses Problem im Wahlkampf nicht mal Thema sei. Von der Politik erwartet er jedenfalls nichts mehr. jöw

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