Ein General rechnet ab

Berlin. Am Schluss wirkt Wolfgang Schneiderhan verbittert. 43 Jahre und neun Monate hat er dem Land gedient, sagt er. "Außer der Entlassungsurkunde des Bundespräsidenten habe ich nichts." So endet seine Aussage vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages

Berlin. Am Schluss wirkt Wolfgang Schneiderhan verbittert. 43 Jahre und neun Monate hat er dem Land gedient, sagt er. "Außer der Entlassungsurkunde des Bundespräsidenten habe ich nichts." So endet seine Aussage vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages. Sie ist eine Abrechnung mit Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der dem langjährigen Generalinspekteur der Bundeswehr am 25. November 2009 ebenso wie Staatssekretär Peter Wichert das Vertrauen entzogen und beide zum Rücktritt gedrängt hatte. Offenbar bis heute ohne irgendein Schreiben der Anerkennung. Und mit Gründen, die Schneiderhan "ehrabschneidend" findet. Letzteres allerdings bezieht Schneiderhan nicht mehr auf zu Guttenberg, weil der entsprechende Vorwürfe inzwischen per Interview zurückgezogen hat, worüber er "sehr erleichtert" sei. Sondern auf Zeitungsartikel, die - "offenbar aus dem Umfeld des Ministers lanciert" - ihm "Unterschlagung" von Berichten über das Kundus-Bombardement am 4. September vorwerfen. Bei dem Angriff waren bis zu 142 Zivilisten ums Leben gekommen.Die Aussage des 63-jährigen Schwaben, der zum ersten Mal nach vielen Jahren in Zivil vor den Abgeordneten erscheint, wird von außergewöhnlichen Umständen begleitet. Die Sitzung ist erstmals öffentlich, fast hundert Journalisten sitzen auf der Tribüne. Kameras sind nicht erlaubt, haben sich aber vor dem Saal zu einem Heerlager aufgebaut. Alle fünf Minuten wird Schneiderhan ebenso wie fragende Abgeordnete von Ulrich Birkenheiner unterbrochen, einem unscheinbaren Beamten aus dem Verteidigungsministerium, vor dem auf dem Tisch das Schild "Bundesregierung" steht. Der achtet darauf, dass Informationen, die als geheim eingestuft sind, nicht zur Sprache kommen. Auf "Spiegel Online" taucht kurz vor Beginn der Sitzung eine Story auf, wonach es im Verteidigungsministerium eine von Schneiderhan und Wichert geleitete "Gruppe 85" gab, die den Auftrag hatte, das Bombardement zu verharmlosen. Fragen eines Abgeordneten dazu verbietet Birkenheiner aber sofort. Darüber darf erst im geheimen Teil der Sitzung, ohne Presse, geredet werden. Der Vorwurf bleibt so unwidersprochen. Der frühere Generalinspekteur wehrt sich in seinem eineinhalbstündigen Vortrag detailreich gegen zu Guttenbergs ursprüngliche Darstellung, er und Wichert hätten dem neuen Minister wichtige Unterlagen vorenthalten und ihn praktisch in eine Falle gelockt. "Die Frage, ob ich die Minister so beraten habe, dass sie entscheidungsfähig waren, ja, diese Frage beantworte ich eindeutig mit ja", sagte er. Zu Guttenberg hatte das Kundus-Bombardement am 6. November kurz nach seiner Amtsübernahme als "militärisch angemessen" bezeichnet. Ende November aber musste der CSU-Jungstar diese Meinung ins Gegenteil korrigieren, als in der "Bild"-Zeitung ein ihm nicht bekannter Untersuchungsbericht der Feldjäger erwähnt wurde, der die zivilen Opfer und Einsatzfehler benannte. Ausführlich schildert Schneiderhan, dass er diesen von ihm als fragwürdig empfundenen Untersuchungsbericht schon frühzeitig an die Isaf-Kommandatur weitergeleitet habe, in Abstimmung mit Guttenbergs Vorgänger, dem damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Dass der Feldjägerbericht dort in den Isaf-Bericht über den Zwischenfall einfloss, der Guttenberg dann als Bewertungsgrundlage bei seiner Pressekonferenz am 6. November vorlag. Dieser enthielt wenig Kritik an dem Einsatz. Er sagt, dass er den Minister trotzdem kurz vor der Pressekonferenz gewarnt habe, keine zu positive Bewertung abzugeben. Guttenberg habe sich noch für den Rat bedankt. Und er berichtet, dass er dann wegen einer Reise nicht mehr direkt involviert war, als Guttenberg trotzdem den Einsatz als "militärisch angemessen" bezeichnete. Am Ende kommt Schneiderhan wieder auf den Vorwurf der Unterschlagung zurück. Den Feldjägerbericht hätten viele Leute im Ministerium als Kopie in ihrem Schreibtisch gehabt, "das hätte man in fünf Minuten rausgekriegt". So einen Vorwurf empfinde er "als Beleidigung meiner Intelligenz". "Außer der Entlassungs- urkunde habe ich nichts."Schneiderhan über seinen RauswurfMeinung

Eine Frage der Ehre

Von SZ-KorrespondentWerner Kolhoff Karl-Theodor zu Guttenberg hat die Entlassung von General Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert im November 2009 damit begründet, dass sie ihm wichtige Dokumente zum Kundus-Bombardement "vorenthalten" hätten. Der CSU-Politiker hat diese Begründung gebraucht, denn sie half ihm, den Bürgern seinen abrupten Meinungswandel in der Bewertung des Einsatzes verständlich zu machen. Guttenberg hat politisch versucht, von einer Lüge zu leben, vielleicht eine Notlüge. Aber die beiden Betroffenen wehren sich. Es geht ihnen um ihre Ehre, und die haben sie gestern mit ihrer detaillierten Aussage im Untersuchungsausschuss wiedergewonnen. Der Minister hatte letzte Woche schon vorsorglich den Vorwurf der Unterschlagung zurückgenommen. Man hat jetzt gelernt, dass zu Guttenberg für seine Karriere bereit ist, notfalls auch sehr verdiente Personen zu opfern und dabei die Wahrheit zu verbiegen. Man hat außerdem gelernt, dass er mitunter schneller redet als er denkt. Beides sind nicht die besten Eigenschaften für einen, der das Oberkommando über das Schießen hat.

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