Lafontaines Linke will den Kapitalismus abschaffen

Berlin. Knapp zwei Monate nach seinem angekündigten Rückzug vom Vorsitz der Linken betritt Oskar Lafontaine wieder die politische Bühne in Berlin. Am morgigen Samstag will der Saarländer gemeinsam mit seinem Noch-Co-Vorsitzenden Lothar Bisky im Karl-Liebknecht-Haus den Entwurf für ein überfälliges Parteiprogramm vorstellen

Berlin. Knapp zwei Monate nach seinem angekündigten Rückzug vom Vorsitz der Linken betritt Oskar Lafontaine wieder die politische Bühne in Berlin. Am morgigen Samstag will der Saarländer gemeinsam mit seinem Noch-Co-Vorsitzenden Lothar Bisky im Karl-Liebknecht-Haus den Entwurf für ein überfälliges Parteiprogramm vorstellen. Bislang begnügt sich die vor drei Jahren aus der ostdeutschen PDS und der westdeutschen WASG entstandene Linkspartei nur mit "programmatischen Eckpunkten". In dem 42 Seiten langen Programmentwurf, der unserer Zeitung vorliegt, malt die Partei ein düsteres Bild von den gesellschaftlichen Zuständen: Der globale Kapitalismus habe in Deutschland für die "Zerstörung industrieller Kapazitäten", einen wachsenden "Hungerlohnsektor, rücksichtslose Jobvernichtung" und einen "Raubbau an sozialen Leistungen" gesorgt, heißt es in der Präambel. Als Konsequenz setzt die Linke auf politische Streiks einschließlich "Generalstreik" sowie Volksbegehren, um Regierungsentscheidungen etwa zu Hartz IV oder zur Steuergesetzgebung rückgängig zu machen. Auch sollen Unternehmensspenden an Parteien künftig ausgeschlossen werden. Darüber hinaus will die Linke weitreichende Rechte für die Arbeitnehmer durchsetzen. Sie sollen ein Vetorecht gegen die Schließung ihrer Betriebe bekommen, wenn diese nicht von Insolvenz bedroht sind. Zu den weiteren Forderungen gehören ein gesetzlicher Mindestlohn in "existenzsichernder Höhe", regelmäßige Lohnzuwächse, verkürzte Arbeitszeiten "gemäß den Bedürfnissen der Menschen bei vollem Lohnausgleich" sowie eine "sanktionsfreie Mindestsicherung" anstelle von Hartz IV. Für Konfliktstoff in der 16-köpfigen Programmkommission sorgten dem Vernehmen nach insbesondere die Eigentumsfrage und das Für und Wider von Regierungsbeteiligungen. Im Text heißt es nun: Die Linke wolle "kapitalistisches Eigentum überwinden". Wie weit die Enteignung gehen soll, bleibt jedoch offen. Dies müsse "im demokratischen Prozess entschieden werden". Künftige Regierungsbeteiligungen auf Landes- und Bundesebene sollen nur unter strikten Bedingungen möglich sein: Die Linke werde in keine Regierung eintreten, "die Privatisierungen vornimmt, Sozial- und Arbeitsplatzabbau betreibt" und "Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt". Lafontaine hatte den internen Streit über die programmatische Ausrichtung der Linken vor einigen Tagen heruntergespielt: Es gebe in dem Textentwurf "keine einzige konkrete Forderung", die nicht schon in Parteitagsbeschlüssen oder anderen Dokumenten der Linken enthalten wäre, sagte er in einem Interview. Die Programmkommission hatte den Text am Ende einstimmig verabschiedet. Auch die Kommunistische Plattform kann damit leben. An einigen Stellen werde der Kapitalismus zwar immer noch "gepriesen", aber unter dem Strich sei das Papier ein akzeptabler Kompromiss, meinte ihre Sprecherin Sahra Wagenknecht gegenüber unserer Zeitung. Vor der Vorstellung will der Parteivorstand morgen abschließend über den Entwurf beraten. Danach soll das Programm an alle Mitglieder verschickt und in en Gliederungen diskutiert werden. Offen ist, ob es eine Urabstimmung der Basis geben wird. Die endgültige Verabschiedung ist für November 2011 geplant. Meinung

Außerhalb der Verfassung

Von SZ-Redakteur Ulrich Brenner Dass Teile der Linkspartei Probleme mit der freiheitlich-demokratischen Ordnung der Bundesrepublik haben, mag ein harter Vorwurf sein. Der Programmentwurf gibt ihm mit seinem Plädoyer für politische Streiks aber Nahrung. Streik ist das legitime Instrument der Arbeitnehmer, im Konflikt um den Lohn für ihre Arbeit diese dem Arbeitgeber zu verweigern. Der scheidende Parteichef Lafontaine will sie auch als Möglichkeit, eine "Fehlentscheidung der Mehrheit des Bundestags" zu korrigieren. Im Klartext: Ein frei gewähltes Verfassungsorgan soll von einem Teil der Bevölkerung (Arbeitnehmer in Schlüsselbereichen) durch Erpressung genötigt werden können, in ihrem Sinne zu entscheiden. Dabei sieht das Grundgesetz eine demokratische Möglichkeit vor, Fehlentscheidungen, wenn sie die Mehrheit der Bevölkerung als solche sieht, zu korrigieren: durch Wahl einer neuen Bundestagsmehrheit. Wer das ignoriert, steht außerhalb der Verfassung.

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