Das Rentenpaket ist sicher

Berlin · Plötzlich ist das Paket geschnürt: Die große Koalition hat sich gestern auf letzte Änderungen an den umstrittenen Rentenregelungen verständigt. Neu ist die Flexi-Rente. Am Freitag stimmt der Bundestag ab, in Kraft treten soll das Gesetzespaket am 1. Juli.

Mit der bangen Frage, wie viele Abweichler in den eigenen Reihen es am Freitag bei der Abstimmung über das Rentenpaket im Bundestag wohl geben werde, ging die große Koalition in die neue Woche. Gestern Mittag um 13.05 Uhr war sie schon beantwortet. Wenn überhaupt, werden es nur sehr, sehr wenige sein. Denn die Fraktionsspitzen fanden nicht nur Kompromisse in den noch strittigen Punkten der Rente mit 63 und der Mütterrente. Sie nahmen mit dem Einstieg in die sogenannte Flexi-Rente sogar ein neues Thema in das Gesetzespaket auf - zur großen Zufriedenheit des Wirtschaftsflügels der CDU.

Deren Vorsitzender Carsten Linnemann hatte vor der Gefahr von Frühverrentungen gewarnt. Und zugleich verlangt, dass angesichts des Fachkräftemangels im Gegenzug etwas dafür getan werde, Menschen auch über die Regelaltersgrenze von künftig 67 Jahren hinaus in Beschäftigung zu halten. Diese Debatte hatte in den vergangenen Wochen enorm an Fahrt gewonnen; so hatte unter anderem Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm ("Die Rente ist sicher") die starre Altersregelung kritisiert. Die FDP beschloss auf ihrem Parteitag einen völlig freien Eintritts-Korridor zwischen 60 und 70 Jahren, wenn die Grundsicherung als Rentenanspruch gesichert ist. Auch der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, plädierte für die Flexi-Rente.

Die kommt nun in einem entscheidenden Punkt: Im Prinzip kann zwar schon heute jeder bei vollem Rentenbezug weiterarbeiten, solange er will. Doch wird das kaum praktiziert, weil unbefristete Arbeitsverhältnisse nicht in befristete umgewandelt werden dürfen. Diese Rechtssicherheit aber verlangen die Arbeitgeber, denn irgendwann wollen sie den immer älter werdenden Beschäftigten doch loswerden.

Jetzt lautet die Einigung, dass eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorher vereinbart werden kann - der Zeitpunkt des endgültigen Ausstiegs darf sogar mehrfach hinausgeschoben werden. Nach verschiedenen Umfragen und Studien rechnet man mit 100 000 bis 400 000 Arbeitnehmern, die ein Interesse haben könnten, neben dem Rentenbezug noch weiterzumalochen oder sich höhere Rentenpunkte zu erwerben. Die Forderung Linnemanns, die Arbeitgeber in dieser Zeit von Zahlungen an die Sozialkassen zu befreien, wurde noch vertagt. Das soll eine Arbeitsgruppe "Flexible Übergänge in den Ruhestand" klären, die sich im Herbst auch mit den Zuverdienstgrenzen vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze (bisher 450 Euro) und der Zwangsverrentung von Hartz-IV-Empfängern ab 63 befassen soll.

Einvernehmlich wurden auch die anderen strittigen Punkte geregelt, die alle schon ab 1. Juli gelten sollen. Wer 45 Jahre gearbeitet hat, kann künftig ab 63 in Rente gehen, wie die SPD es wollte. Zeiten der Arbeitslosigkeit (ALG I) werden unbegrenzt angerechnet. Nicht aber Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor Beginn des Rentenbezuges. So soll eine Frühverrentungswelle verhindert werden. Ausnahme: Wird der Betrieb in den zwei Jahren dichtgemacht, zählt diese Arbeitslosigkeit doch.

Ebenfalls geregelt wurde auf CSU-Drängen, dass auch Leute in den Genuss der 45er-Regelung kommen, die freiwillig in die Rentenkassen eingezahlt haben, in der Regel Handwerker. Hier gelten die gleichen Bedingungen, allerdings müssen wenigstens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge entrichtet worden sein. Bei der Mütterrente, vorrangiges Anliegen der Union, gab es keine Änderungen. Für vor 1992 geborene Kinder gibt es künftig einen zusätzlichen Rentenpunkt.

Während sich Koalitionspolitiker gestern dafür lobten, dass sie sich als einigungsfähig erwiesen hätten, kritisierten die Grünen das Rentenpaket als unseriös. Es kostet jährlich acht bis zehn Milliarden. Offen ist noch, ob am Freitag über das Gesamtpaket abgestimmt wird oder die Opposition eine Einzelabstimmung über jedes Teilgesetz verlangt. Das würde womöglich deutlich machen, dass vor allem in der Union die SPD-Idee der Rente mit 63 noch immer sehr skeptisch gesehen wird.

Zum Thema:

Auf einen BlickDas Rentenpaket: Abschlagsfreie Rente ab 63: Wer 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, soll schon ab 63 Jahren ohne Abschlag in Rente gehen können. Mütterrente: Etwa 9,5 Millionen Frauen, deren Kinder vor 1992 zur Welt kamen, bekommen Kindererziehungszeiten besser honoriert. Pro Kind sind das brutto knapp 28 Euro monatlich mehr.Erwerbsminderungsrente: Dabei wird künftig eine theoretische Arbeitszeit bis zum 62. statt bis zum 60. Lebensjahr zugrunde gelegt. Das macht ein Plus von etwa 40 Euro monatlich aus. Flexibler Renteneintritt: Meint die Möglichkeit, über das Rentenalter hinaus zu arbeiten. Arbeitnehmer können dafür mit ihrem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung vereinbaren, bei Bedarf auch mehrmals. dpa/afp

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