„Ich mag den, den Erdogan“

Köln · Obwohl der türkische Ministerpräsident Erdogan durch das Grubenunglück unter Druck steht, will er am Samstag nach Köln kommen. Daran gibt es in Deutschland viel Kritik. Allerdings nicht vor der Kölner Zentralmoschee.

Wie er heißt, will er nicht sagen, und was er denkt, eigentlich auch nicht. "Die Medien verdrehen immer alles." Aber dann kommt der "Kölsche Jung", als den er sich selbst bezeichnet, doch ins Reden. Der 29-jährige Deutschtürke, der mit Freunden vor der Kölner Zentralmoschee in der Sonne steht, gibt sich als überzeugter Anhänger des türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan zu erkennen. Dass der für das Grubenunglück verantwortlich gemacht wird, kann er nicht begreifen: "Wenn bei uns auf der Arbeit was passiert, dann ist daran auch nicht die Merkel schuld, sondern dann kommt die Berufsgenossenschaft."

So wie er äußern sich an diesem Tag viele türkischstämmige Männer und auch Frauen, die zum Gebet in die Moschee wollen. Ob sie am Samstag zu Erdogans Auftritt in der Kölner Lanxess-Arena gehen werden, wissen die wenigsten. Aber dass sie Erdogan gut finden, das steht fest.

Erdogan spricht offiziell zum zehnjährigen Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Von dieser Organisation hört man in Deutschland eigentlich nur, wenn Erdogan zu Besuch kommt. 2008 hat sie ihn auch schon in die Lanxess-Arena geholt, dorthin wo sonst Heidi Klum und Lady Gaga ihre Show abziehen. Auch Erdogan ließ sich bei seinem Auftritt vor sechs Jahren feiern wie ein Popstar - mit Musik und Scheinwerfer-Effekten. Er sei gekommen, "um unsere Sehnsucht nach ihm zu stillen", wurde er damals angekündigt. "Solange er uns führt, können wir alle Probleme bewältigen."

Zuletzt warb Erdogan im Februar dieses Jahres bei einem Auftritt in Berlin um Wählerstimmen. Das Motto damals: "Berlin trifft den großen Meister." Angenommen wird, dass Erdogan bei der türkischen Präsidentschaftswahl am 10. August antreten wird. Die in Deutschland lebenden Türken dürfen dann zum ersten Mal mitwählen. Eineinhalb Millionen dürften das sein.

Deutsche Politiker waren noch nie begeistert von solchen Ausflügen Erdogans. Er führe sich auf wie der Regierungschef der in Deutschland lebenden Türken, lautet der Vorwurf. Dass er nun sogar ungeachtet des Unglücks von Soma anreisen will, hat den Ton nochmals verschärft. Auch die Türkische Gemeinde spricht von einem "Wahlkampfauftritt". Ein richtiges Heimspiel für Erdogan soll es diesmal allerdings nicht werden: Mehrere Gegendemonstrationen sind geplant, unter anderem von den Aleviten.

Doch vor der Kölner Moschee sind keine Kritiker zu finden - was damit zu tun haben könnte, dass sie von der Türkisch-Islamischen Union Ditib betrieben wird, die wiederum direkt der Erdogan-Regierung in Ankara untersteht. Cen Edis zum Beispiel, ein sehr korrekt gekleideter alter Herr, der 1964 nach Deutschland gekommen ist und stolz davon erzählt, dass er Willy Brandt noch erlebt hat, ist nach eigenem Bekenntnis ein überzeugter Anhänger von Erdogans Partei AKP.

Genauso Hatice, eine junge Frau mit Kopftuch: "Ich mag den, den Erdogan." Warum soll man das nicht sagen dürfen? Sie habe Freunde, die hätten Erdogan-Bilder auf ihre Facebook-Seite gestellt und würden nun von ihren deutschen Nachbarn geschnitten. "Aber die wohnen auch in Marienburg." Marienburg ist ein Villenviertel. Einer der wenigen, die sich nicht uneingeschränkt positiv über Erdogan äußern, ist Soner Polat. Er sieht Verdienste, aber auch Defizite Erdogans. Und meint: "Man sollte einem Menschen grundsätzlich nicht soviel Macht überlassen."

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HintergrundIn Deutschland leben rund drei Millionen türkischstämmige Menschen, davon etwa 20 000 im Saarland. Cemil Kirbayir, Kassierer des SPD-Ortsvereins St. Arnual, ist einer der wenigen, die sich hierzulande bislang in einer Partei engagieren. Erdogans Köln-Besuch am kommenden Wochenende findet er "völlig falsch". "Das ist stillos. Die Türkei hat eine der größten Katastrophen ihrer Geschichte hinter sich, da passt es einfach nicht, dass Erdogan jetzt in Deutschland auf Wahlkampftour geht, während sein Volk zuhause leidet", sagte Kirbayir der SZ. Vielmehr sollte sich der türkische Ministerpräsident daheim um die genauen Ursachen des Unglücks kümmern. tho

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