Weil Nudeln einfach länger halten

Brüssel · 89 Millionen Tonnen an Lebensmitteln werfen die EU-Bürger jedes Jahr weg. Das wollen einige Mitgliedstaaten nicht länger mitansehen. Sie wollen deshalb für bestimmte Produkte das Haltbarkeitsdatum kippen.

 Foto: Zerbor/Fotolia

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Der Salat vom Wochenende welkt langsam vor sich hin. Das Mindesthaltbarkeitsdatum der Nudeln wurde überschritten, der Tee ist auch schon deutlich drüber - ab in den Müll. 89 Millionen Tonnen an Lebensmitteln werfen die EU-Bürger jedes Jahr weg. Mit rund 82 Kilo je Bundesbürger sind die Deutschen ganz vorne mit dabei. Im Verbraucherschutzministerium hat man ausgerechnet: Das ergibt zwei volle Einkaufswagen mit einem Wert von 285 Euro. Doch ein Großteil davon wäre sicher noch deutlich länger genießbar. "Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Verfallsdatum", heißt es beim Hauptverband des deutschen Einzelhandels (HDE). Jetzt will die EU handeln. Gestern sammelten die Agrarminister Deutschlands, Dänemarks, Österreichs und Luxemburgs zusammen mit den Kollegen aus Schweden und den Niederlanden bei der Ratstagung der Landwirtschaftsminister in Brüssel Unterstützung für den Vorschlag, das Mindesthaltbarkeitsdatum zu streichen - zunächst für langlebige Waren wie Nudeln, Reis, Tee, Kaffee oder Hartkäse.

"Das Lebensmittel kann auch noch am Tag nach der angegebenen Mindesthaltbarkeit unbedenklich verzehrt werden", schreibt die Europäische Kommission in einem Papier, das den Ministern vorlag. "Zumindest dann, wenn die Aufbewahrungsvorschriften eingehalten wurden und die Packung nicht beschädigt ist." Tatsächlich garantiert der vor gut 30 Jahren eingeführte Mindesthaltbarkeitsschutz nämlich nur, wie lange ein ungeöffnetes und richtig gelagertes Produkt seine spezifischen Eigenschaften wie Geschmack, Geruch, Farbe, Konsistenz und Nährwert behält. Es bedeutet nicht, dass Lebensmittel nach diesem Datum zu vergammeln beginnen. Schon heute muss die Angabe nicht auf jede Packung: Wein, Kaugummi, frisches Obst und Gemüse und einige weitere Lebensmittel sind von der Vorschrift ausgenommen.

"Die Leute werfen einwandfreie Nahrung weg, weil sie nicht genau wissen, was das Mindesthaltbarkeitsdatum auf der Packung bedeutet", sagte gestern die niederländische Landwirtschaftsministerin Sharon Dijksma in Brüssel. "Es wäre besser, auf das Datum zu verzichten, als einen völlig bedeutungslosen Termin auf die Packung zu drucken." Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) forderte, das Mindesthaltbarkeitsdatum für bestimmte Lebensmittel bis Ende 2015 abzuschaffen. "Wir verschwenden Lebensmittel", sagte er. Das sei "ethisch nicht begründbar". Eine Entscheidung gab es noch nicht. Die Minister wollen erst noch prüfen, ob der "Mindestens haltbar bis . . ."-Eintrag wirklich ohne Konsequenzen für den Verbraucherschutz gestrichen werden könnte. Erst danach soll ein Gesetzesvorschlag ausgearbeitet werden, den das Europäische Parlament beschließen müsste. Das kann bis weit ins nächste Jahr hinein dauern.

Dabei liegen die wichtigsten Zahlen längst vor. Das Bundesagrarministerium hat nach entsprechenden Studien schon 2012 seine Kampagne "Zu gut für die Tonne" gestartet. Tenor der Beiträge: Ein angeschlagener Apfel oder ein über das aufgedruckte Datum hinaus sachgerecht gelagerter Kaffee verlieren ihren Geschmack nicht. Wer auch solche Produkte weiter nutzt, verhindert die Verschwendung natürlicher Ressourcen. Immerhin verschlingt die Herstellung von einem Kilo Brot 1300 Wasser, von einem Kilo Käse sogar 5000 Liter - die zusätzlichen Umweltbelastungen für die Entsorgung noch gar nicht eingerechnet. Die EU-Kommission hat allerdings bereits deutlich gemacht, dass sie auf keinen Fall das Haltbarkeitsdatum generell abschaffen will. Vor allem leicht verderbliche Ware wie Fleisch oder Fisch dürfen nach Erreichen des aufgedruckten Datums nicht mehr verzehrt werden. Aber das ist ja auch ein Verbrauchsdatum . . .

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