Ausdauer-Politiker der leisen Töne

Ob er Genugtuung empfinde, wird er gefragt. Heiko Maas zögert einen Augenblick. Dann antwortet er ruhig und sachlich: "Ich fühle mich bestätigt." Diese zusammengetrickste Jamaika-Allianz habe auf Dauer nicht funktionieren können, analysiert der SPD-Frontmann nüchtern. Nein, klammheimliche Freude über das schwarz-gelb-grüne Desaster trägt der 45-Jährige nicht zur Schau

Ob er Genugtuung empfinde, wird er gefragt. Heiko Maas zögert einen Augenblick. Dann antwortet er ruhig und sachlich: "Ich fühle mich bestätigt." Diese zusammengetrickste Jamaika-Allianz habe auf Dauer nicht funktionieren können, analysiert der SPD-Frontmann nüchtern.Nein, klammheimliche Freude über das schwarz-gelb-grüne Desaster trägt der 45-Jährige nicht zur Schau. Kein verbales Schaulaufen, ein Politiker der leisen Töne, der die staatsmännische Attitüde pflegt. Dennoch: Die Situation streichelt das politische Ego eines Mannes, der für viele in der Partei die politische Zukunft schon hinter sich hatte. Der sich mühte, dem aber das Quäntchen Fortune im politischen Geschäft fehlte. Doch nun sitzen die Sozialdemokraten wieder am Tisch der Entscheider und nicht länger auf der harten Oppositionsbank. Das bringt neues Selbstbewusstsein unter die Genossen, die zwölf Jahre beim Regieren zuschauen mussten. Die Ausdauer, Kardinaltugend im Triathlon-Sport, hat sich für den Freizeit-Triathleten Maas in der Politik ausgezahlt. Er pflegt sein Hobby mit solcher Hingabe, dass er noch am Morgen des Landtags-Wahltags im Jahr 2009 seinen Laufdress überstreifte.

Der Mann, der beim Laufen, Schwimmen und Radfahren hart im Nehmen ist, verkraftete auch die schmerzhaften Nackenschläge, die die SPD unter seiner zwölfeinhalbjährigen Ägide als Partei- und Fraktionsvorsitzender hinnehmen musste: Die Anläufe 2004 und 2009 auf den Ministerpräsidenten-Sessel in der Staatskanzlei schlugen fehl, die Wahl-Prozente purzelten von 44,4 (1999) auf 24,5 (2009). Der SR-Saarland-Trend vom November vergangenen Jahres hellte allerdings die Mienen auf: Danach käme die SPD auf 35 Prozent, wäre stärkste politische Kraft im Saarland und ließe Kramp-Karrenbauers Unions-Truppe mit 32 Prozent hinter sich. Aus solchen Zahlen wächst in den Reihen der Genossen natürlich Hoffnung auf bessere Zeiten. Zumal sich die Jamaikaner, politisch ausgezehrt, ins Aus manövriert haben.

Heiko Maas bewegt sich in seiner neuen Rolle in Trippelschrittchen auf der politischen Bühne. Vorsichtig, abwartend, ohne dass jedoch Zaudern oder Zögern das Signal sein sollen. Die Chance auf eine Regierungsbeteiligung wollen die Sozialdemokraten diesmal nicht vermasseln. Nur keine übereilten Entscheidungen, wohin die politische Reise gehen soll, so die Maxime. Ob große Koalition oder Neuwahlen angesagt sind. Der Parteichef wird nicht müde, mantra-mäßig "ergebnisoffene Gespräche" mit der CDU zu verkünden. Von einem Gesprächs-Marathon mit den Kreisvorständen, der am Donnerstag beendet sein soll, erhofft sich Maas Auskunft über die politischen Präferenzen in der Partei, Einblicke in die Seelenlage der Genossen. Die scheint bisher gespalten, was die Entscheidung so vertrackt macht. Maas, dem ein Liebäugeln mit einem schwarz-roten Bündnis nachgesagt wird, weiß: Er muss die gesamte SPD auf dem Weg in eine wie auch immer geartete Regierungsbeteiligung mitnehmen. Sei es in Kürze der Einstieg in eine große Koalition oder Neuwahlen in wenigen Monaten. Alles andere würde die Partei auseinander reißen. So bilanziert, diskutiert und analysiert er immer wieder die Lage mit Vertrauten, darunter die Fraktionsvizes Ulrich Commerçon und Anke Rehlinger, Generalsekretär Reinhold Jost, der parlamentarische Geschäftsführer Stefan Pauluhn und Partei-Pressechef Thorsten Bischoff.

Bisher haben sich die Oberbürgermeisterin Charlotte Britz im Saarbrücker Rathaus und der Bundestagsabgeordnete Ottmar Schreiner öffentlich zu Neuwahlen bekannt. Andere halten sich bedeckt, sehen sich der Parteidisziplin verpflichtet, die nach Außen ein Bild der Geschlossenheit vermitteln und öffentliche Diskussionen vermeiden will. Nach Meinung der Neuwahl-Protagonisten kann nur ein "klarer Schnitt" die verfahrene Situation des Landes lösen. Neuwahlen würden angesichts der Umfrage-Werte mit hoher Wahrscheinlichkeit mehrere Koalitions-Optionen bringen. Doch Maas misstraut den Umfragen. Er fürchtet, die Verhandlungs-Position der SPD könnte sich verschlechtern. Und Gedanken über eine mögliche Allianz mit den Linken möchte er sich offenbar nicht machen.

Im Landtag könnte es unterdessen nächste Woche zu einem Misstrauensvotum gegen Kramp-Karrenbauer kommen. Dieses müsste von Grünen, Liberalen oder Linken beantragt werde und würde die SPD zwingen, bereits vor ihrer Entscheidung Farbe für die CDU-Ministerpräsidentin zu bekennen.

Doch SPD-Chef Maas warnt vor solchen "Kindereien". "Wir gehen unseren Weg: Wir führen Gespräche und werden dann entscheiden, was zu tun ist", sagte er der SZ. Doch welchen Weg die Genossen auch einschlagen: Ohne sie geht nichts mehr in der Saar-Politik. Der Ausdauersportler Maas kann zum Schlussspurt ansetzen. "Wir gehen unseren Weg: Wir führen Gespräche und werden dann entscheiden,

was zu tun ist."

Heiko Maas über

die Strategie der Saar-SPD

Am Rande

Mehrere zentrale Reformprojekte der Jamaika-Koalition haben sich mit dem Bruch des Bündnisses vorerst erledigt. Die Staatskanzlei erklärte gestern, dass "derzeit mit Jamaika-Mehrheit keine Gesetzgebung weiter betrieben wird". Dies betrifft etwa die Begrenzung der Polizeibefugnisse, die Ausweitung direktdemokratischer Mitbestimmungsmöglichkeiten und die umstrittene Novelle des Jagdrechts. In allen drei Fällen waren die Gesetzentwürfe noch nicht in den Landtag eingebracht. Im parlamentarischen Verfahren befinden sich hingegen bereits das Denkmalschutzgesetz, ein Gesetz zur Schaffung eines Klagerechts für Tierschutzverbände und eine Änderung des Wahlrechts, von der kleinere Parteien wie FDP und Grüne profitiert hätten. mast/kir

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