"Wir haben zu viele Eigentorschützen"

Herr Lafontaine, warum fürchten Sie die eigene Parteibasis?Lafontaine: Die habe ich noch nie gefürchtet. Ich habe als Erster vorgeschlagen, den verbindlichen Mitgliederentscheid in das Grundsatzprogramm der Partei aufzunehmen. An eine unverbindliche Befragung war nicht gedacht. Auch sollte man die Partei nicht monatelang mit Personalfragen beschäftigen

Herr Lafontaine, warum fürchten Sie die eigene Parteibasis?Lafontaine: Die habe ich noch nie gefürchtet. Ich habe als Erster vorgeschlagen, den verbindlichen Mitgliederentscheid in das Grundsatzprogramm der Partei aufzunehmen. An eine unverbindliche Befragung war nicht gedacht. Auch sollte man die Partei nicht monatelang mit Personalfragen beschäftigen.

Mehrere Kreis- und Landesverbände fordern eine Basisbefragung. Missachten Sie da nicht demokratische Spielregeln, die gerade Ihre Partei immer wieder anmahnt?

Lafontaine: Es gehört zur Demokratie, Gesetze zu beachten. Das Parteiengesetz schreibt verbindlich die Wahl von Parteivorsitzenden durch Parteitage vor.

Ihre frühere Partei, die SPD, war da schon weiter. Dort wurde einst Rudolf Scharping per Basisvotum zum Chef bestimmt.

Lafontaine: Auch Scharping wurde vom Parteitag gewählt. Der Unterschied zur Situation der Linken ist, dass der damalige SPD-Vorsitzende Engholm zurückgetreten war. Unsere nächste Vorstandswahl steht im Juni an. Ich halte es für völlig unmöglich, ein halbes Jahr vor Ende der Amtszeit von Vorsitzenden eine Befragung über alternative Kandidaturen durchzuführen. Wenn die Linke sich das zur Gewohnheit macht, ist sie nur noch mit Personaldebatten beschäftigt.

Mit Verlaub, über das amtierende Führungs-Duo Lötzsch und Ernst wird in ihrer Partei schon seit Monaten wenig schmeichelhaft diskutiert. Und mit Dietmar Bartsch gibt es bereits einen erklärten Gegenkandidaten.

Lafontaine: Wir haben zu viele Eigentorschützen, die ununterbrochen über Personalfragen quatschen. Wenn eine Partei zu viele Eigentorschützen hat, siehe FDP, dann verliert sie erheblich in der Wählergunst. Dabei gibt es wahrlich genug Themen, die unsere Wähler interessieren. Das reicht von der Bewältigung der Bankenkrise bis zum Wiederaufbau des Sozialstaats. Hier haben wir überzeugende Vorschläge.

Tatsache bleibt, dass Sie zu Ihrem Ex-Bundesgeschäftsführer Bartsch ein sehr gespanntes Verhältnis haben. Wäre er trotzdem ein akzeptabler Vorsitzender?

Lafontaine: Es gehört zu meinen Grundsätzen, über Personalfragen nicht öffentlich zum falschen Zeitpunkt zu schwadronieren.

Würden Sie denn noch einmal für den Parteivorsitz kandidieren?

Lafontaine: Auch hier gilt, was ich gerade gesagt habe.

Ihr alter Freund Gregor Gysi hat Sie zu einer gemeinsamen Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl im Herbst 2013 aufgefordert. Sind Sie dazu bereit?

Lafontaine: Wenn die Entscheidung ansteht, dass ein Parteitag die Spitzenkandidatur festlegt, werde ich mich dazu erklären.

Im Herbst 2013 wäre Gysi 65 und Sie wären 70. Können es die Jüngeren bei den Linken nicht?

Lafontaine: Wir haben viele gute jüngere Politikerinnen und Politiker. Aber gelegentlich übersehen Journalisten, dass sich auch die Alterszusammensetzung der Wahlbevölkerung erheblich ändert.

Im Saarland scheinen die Weichen auf große Koalition zu stehen. Rechnen Sie noch mit Neuwahlen?

Lafontaine: Es spricht viel dafür, dass CDU und SPD im Land bereits verbindliche Absprachen für eine gemeinsame Regierung getroffen haben.

Für Ihre Partei wären Neuwahlen womöglich blamabel. Einer Umfrage zufolge hat sich die Zustimmung von gut 21 Prozent bei der letzten Wahl inzwischen fast halbiert.

Lafontaine: Bislang hat jede Umfrage im Saarland, wie die anschließenden Wahlen gezeigt haben, die Linke um sechs Prozent zu niedrig bewertet. Aktuell würden wir also bei 18 und nicht bei zwölf Prozent liegen. Und für den Rest sorgen wir im Wahlkampf.

Abschließend noch eine Frage zum Bundespräsidenten. Wird sich Christian Wulff trotz aller Affären im Amt halten?

Lafontaine: Er selbst entscheidet, ob er im Amt bleibt. Ein Bundespräsident, der viel an Vertrauen verloren hat, sollte das Amt zur Verfügung stellen.

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