Alles spricht für Schwarz-Rot, keiner sagt es

Berlin · Drei Wochen nach der Bundestagswahl werden Verhandlungen über eine große Koalition immer wahrscheinlicher. Nach Ansicht von Finanzminister Schäuble kann die Regierung innerhalb eines Monats stehen.

Beim nächsten Mal wird alles anders. Dann könnte die SPD mit Grünen und Linken eine Regierung schmieden, weil Parteichef Sigmar Gabriel sie schon lange darauf vorbereitet hat. Oder die Grünen bemühen sich um eine Koalition mit der Union, weil sie nicht für den Rest ihres politischen Lebens ohne Aussicht auf Regierungsbeteiligung mit der SPD verhaftet bleiben wollen. 2017 könnte das so sein. 2013 bleibt die Sensation offensichtlich aus.

Die Drähte zwischen Union und Grünen glühen nicht so heiß wie zwischen CDU, CSU und SPD, verlautete am Wochenende aus Verhandlungskreisen. Ein Scheitern der Sondierung mit der SPD heute und ein Ja zu Schwarz-Grün morgen sei - bei allem neu gewonnenen Verständnis und manch überraschender Sympathie - schwer vorstellbar. Und dann meldet sich noch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aus Washington und sagt einfach diesen Satz: "Ich glaube, dass wir Mitte November - ungefähr - eine neue Regierung haben werden." Er erwarte, dass es schneller gehe, als viele dächten.

Just Mitte November ist der SPD-Parteitag. Weil die Delegierten dort die Parteispitze wählen, wäre es für Gabriel und Co. von unschätzbarem Vorteil, gäbe es bis dahin nicht nur den Willen zu Verhandlungen, das Ja des SPD-Konvents vom nächsten Sonntag und einen Koalitionsvertrag, sondern obendrein die Zustimmung der 470 000 Mitglieder bei der geplanten Befragung. Würden die Verhandlungen über eine große Koalition in der Woche nach dem 20. Oktober aufgenommen, hätten CDU, CSU und SPD noch 24 Tage Zeit, alles unter Dach und Fach zu bekommen - einschließlich des Mitgliedervotums der SPD. Kein Problem, meinen Unionspolitiker, möchten das aber nicht so laut sagen, um den Eindruck zu vermeiden, die Verhandlungen würden ein Spaziergang. Sie argumentieren nur, dass die Experten in beiden Parteien in kürzester Zeit in der Lage seien, die großen Linien auszuloten. Die Gräben seien mitnichten unüberbrückbar. So werde SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles kaum einen Tag vor der entscheidenden Sondierungsrunde den Mindestlohn zur Bedingung gemacht haben, wenn nicht schon ein Kompromiss absehbar wäre.

"Es wird ans Eingemachte gehen", sagte Nahles dennoch über das zweite Gespräch heute. Anders als beim ersten Mal sollen konkrete Kompromissmöglichkeiten erörtert werden. Dazu hatten sich die Parteichefs am Freitag getroffen. Details dieses Gesprächs sickerten nicht durch. Allerdings gibt es Hinweise auf die Themen. Neben dem Mindestlohn soll es auch um das Betreuungsgeld gegangen sein. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz deutete an, dass die Sozialdemokraten ihre Forderung nach einer Abschaffung zurückstellen - wenn jedes Bundesland selbst über die Zukunft dieser sozialen Leistung entscheiden darf. Scholz gab sich als Befürworter einer großen Koalition zu erkennen. "Die SPD hat vor vier Jahren nicht wegen ihrer Beteiligung an der großen Koalition ein so miserables Ergebnis erzielt", sagte er zu den Bedenken in seiner Partei. Auch in der Union meldeten sich Unterstützer. So etwa Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff. Finanzausstattung der Länder, Solidarpakt, Länderfinanzausgleich: Dafür brauche man alle SPD-regierten Länder mit im Boot.

Vielleicht wird die aus Bayern geforderte Pkw-Maut für Ausländer noch der größte Batzen. Die will weder die SPD noch die CDU. CSU-Chef Horst Seehofer gilt als stur, aber sehr flexibel, wenn es um die Macht geht.

Aber: In 24 Tagen zu Schwarz-Grün? Das sähe schwieriger aus. Die Grünen kommen schon am Wochenende zu einem Parteitag zusammen und müssten also gleich einen zweiten hinterherschieben. Auch sie würden eine solche Entscheidung wohl von der Basis absegnen lassen. Für die Revolution, zwei so unterschiedliche Parteien auf einen Nenner zu bringen, erscheinen 24 Tage zu kurz.

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HintergrundDie Sondierungskommissionen von CDU, CSU und SPD:CDU: Parteichefin Angela Merkel, Generalsekretär Hermann Gröhe, Fraktionschef Volker Kauder, Wolfgang Schäuble, Kanzleramtschef Ronald Pofalla, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, Hessens MP Volker Bouffier.CSU: Parteichef Horst Seehofer, Generalsekretär Alexander Dobrindt, Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, Innenminister Hans-Peter Friedrich, Verkehrsminister Peter Ramsauer, Ex-Ministerin Ilse Aigner, CSU-Vize Barbara Stamm.SPD: Parteichef Sigmar Gabriel, Generalsekretärin Andrea Nahles, Frank-Walter Steinmeier, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, Peer Steinbrück, Parteivize Manuela Schwesig. dpa

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