Merkel in heikler Mission

Abu Dhabi · Der Besuch der Kanzlerin in Saudi-Arabien ist ein politischer Kraftakt. Denn der Wüstenstaat ist umstritten, aber wichtig für die Wirtschaft.

 Mit entschlossenem Blick: Kanzlerin Merkel kurz nach ihrer Ankunft in Saudi-Arabien. Foto: dpa

Mit entschlossenem Blick: Kanzlerin Merkel kurz nach ihrer Ankunft in Saudi-Arabien. Foto: dpa

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In Saudi-Arabien haben Frauen bekanntlich nicht viel zu sagen. Sie bleiben zuhause, bekochen die Männer und nähen Kleider für die Familie. Die Frauen in Saudi-Arabien seien wie "Vögel", sagt ein Stadtführer in fließendem Englisch. Man möchte hinzufügen: allerdings im Käfig.

Der gesellschaftliche Gegensatz zwischen Deutschland und Saudi-Arabien, das Angela Merkel (CDU) am Wochenende besucht hat, könnte größer kaum sein. Über Menschenrechte, Frauenrechte, Wirtschaft, Krisen und Kriege hat die Kanzlerin mit Vertretern des Königshauses gesprochen. Gerade, was die Todesstrafe oder die Situation des inhaftierten Bloggers Raif Badawi und vieler anderer belangt "werden wir natürlich auch an dem dicken Brett der Menschenrechte bohren", sagt Merkel. Immerhin kann sie den Kronprinzen und den stellvertretenden Kronprinzen, Mohammed bin Naif und Mohammed bin Salman dazu bewegen, eine ihrer Ideen gut zu finden: Eine Vermittlerrolle Deutschlands im verheerenden Bürgerkrieg im Nachbarland Jemen. Dort versucht Saudi-Arabien, schiitische Huthi-Rebellen zu bekämpfen - und den Einfluss des verfeindeten Irans, der die Rebellen angeblich unterstützt, einzudämmen.

Mangelnde Akzeptanz als Frau hat sie in Saudi-Arabien noch nicht erlebt. König Salman gibt zu ihren Ehren ein Bankett. Merkel spricht auch mit Unternehmerinnen, die ihr berichten, wie stark sich momentan die saudische Gesellschaft verändere. Die Widerstände kämen dabei weniger von der Regierung, sondern mehr von unten. Bei dem Besuch prallen zwei Welten aufeinander, hier Freizügigkeit, Frauenrechte und Freiheitsrechte, dort Verschleierung, öffentliche Auspeitschungen und Strafen bei nichtmuslimischen Glaubensbekundungen. Und dennoch wird schnell klar: Sich nicht zu treffen, wäre die schlechtere Lösung.

Denn Saudi-Arabien ist mit seinen rund 30 Millionen Einwohnern aus deutscher Regierungssicht "dramatisch wichtig" für die gesamte konfliktreiche arabische Welt. Der Syrien-Krieg, wo Saudi-Arabien in der US-geführten Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kämpft. Der regelrechte Hass zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, der wiederum an der Seite des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad steht. Und eben der Konflikt im benachbarten Jemen. Merkel unterzeichnet ein Abkommen, das die Ausbildung saudi-arabischer Soldaten durch die Bundeswehr vorsieht. Militärangehörige sollen dem Abkommen zufolge in Einrichtungen der Bundeswehr ausgebildet werden, teilte ein Regierungssprecher in Berlin mit. Außerdem unterzeichneten beide Regierungen eine Absichtserklärung zur polizeilichen Zusammenarbeit. "Wir können unser Know-how weitergeben, und das ist wichtig", sagte Merkel.

Das heikle Thema Rüstungsexporte könnte sich bald auch erledigt haben: Der saudische Vize-Wirtschaftsminister Mohammad al-Tuwaidschri sagte dem "Spiegel": "Wir werden der deutschen Regierung keine Probleme mehr bereiten mit immer neuen Wünschen nach Waffen."

Trotz der schwierigen Menschenrechtslage und auch der fehlenden Frauenrechte sieht Merkel das Land in einem positiven Umbruch: "Es gibt Beschwernisse, aber es gibt auch Erfolge." Seit ihrem letzten Besuch 2010 sei die Rolle der Frau gestärkt worden, auch wenn Gleichberechtigung wie in Deutschland weit entfernt sei. Zu der Entwicklung soll auch beitragen, dass sich Saudi-Arabien zunehmend unabhängiger vom Erdöl machen will. Da werden Frauen als Wirtschaftsfaktor immer wichtiger.

Merkel will noch ausloten, inwieweit sie auf Saudi-Arabien beim G20-Gipfel der Industrie- und Schwellenländer im Juli in Hamburg zählen kann. Die Entscheidungen bei G20 müssen einstimmig gefasst werden. Jede Nuance ist da wichtig. Etwa beim Klimaschutz, dem die USA aktuell kaum Aufmerksamkeit beimessen.

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