Weltklimareport Der Erde steht das Wasser bald bis zum Hals

Berlin/Monaco · Der Weltklimarat sagt voraus, dass der Meeresspiegel bis 2100 um rund einen Meter steigt. Die Bundesregierung reagiert besorgt.

 Zurzeit steigt der Meeresspiegel in Folge der Erderhitzung doppelt so stark wie im Schnitt des vergangenen Jahrhunderts, warnt der Weltklimarat. Die Antarktis sei in akuter Gefahr, ebenso Küstenstädte und kleine Inseln.

Zurzeit steigt der Meeresspiegel in Folge der Erderhitzung doppelt so stark wie im Schnitt des vergangenen Jahrhunderts, warnt der Weltklimarat. Die Antarktis sei in akuter Gefahr, ebenso Küstenstädte und kleine Inseln.

Foto: dpa/Ulf Mauder

Der Weltklimarat IPCC schlägt erneut Alarm: Die Gletscher schmölzen immer schneller und der Meeresspiegel steige immer rascher, heißt es in einem am Mittwoch in Monaco vorgestellten Sonderbericht der Wissenschaftler zur Lage der Meere und des Eises. Zahlreiche große Küstenstädte und kleine Inseln würden ab dem Jahr 2050 jährlich Wetterextreme erleben. Die Bundesregierung reagierte mit Besorgnis.

Der Anstieg des Meeresspiegels sei mit 3,6 Millimetern pro Jahr derzeit doppelt so hoch wie im Schnitt des 20. Jahrhunderts. Während er bisher insgesamt um 15 Zentimeter geklettert sei, könnte er bei einer weiteren starken Erhöhung der Treibhausgaskonzentration im bisherigen Tempo bis 2100 um 61 bis 110 Zentimeter steigen. Eine besondere Gefahr liege in der Antarktis, falls das Eis dort irreversibel instabil werde. Das könnte den Meeresspiegel dann auf lange Sicht um mehrere Meter erhöhen. Es sei noch unsicher, ob und wann dies beginne. Im letzten Sachstandbericht von 2013 hieß es, dass der antarktische Eisschild zwischen 2006 und 2015 schon rund 155 Gigatonnen jährlich verlor. Das entspricht ungefähr dreimal dem Wasservolumen des Bodensees. In Küstenregionen bis zu zehn Metern Höhe wohnen laut IPCC 680 Millionen Menschen. Auf kleinen Inselstaaten sind es 65 Millionen.

In Bergregionen würden durch das Schmelzen der Gletscher und das Auftauen dort bestehender Permafrostböden Lawinen, Steinschläge oder Bergrutsche begünstigt. Seien die Gletscher ganz verschwunden, wäre die Trinkwasserversorgung gefährdet. In Hochgebirgsregionen leben 670 Millionen Menschen.

Nur eine starke Reduzierung der Treibhausgase, der Schutz der Ökosysteme und der bedachte Umgang mit den natürlichen Ressourcen könnten die dramatische Entwicklung eindämmen, heißt es in dem Bericht, für den rund 130 Forscher zwei Jahre lang aktuelle Studien analysiert hatten. In Monaco hatten Delegierte aus den 195 IPCC-Mitgliedsstaaten in den vergangenen Wochen um die exakten Formulierungen in der Schlussfassung des Berichtes gerungen, der dann einstimmig verabschiedet wurde.

Umwelt- und Entwicklungsorganisationen werteten die Veröffentlichung auch als dringlichen Handlungsappell an die Bundesregierung, die sich jüngst nur mühsam auf ein Klimaschutzpaket hatte einigen können. „Es ist zum Weinen, dass diesem erneuten Paukenschlag der Wissenschaft wieder nur ein Flüstern der Politik vorangegangen ist“, kritisiert Heike Vesper vom WWF Deutschland. Deutschland werde mit seinem „Klimapäckchen“ keinen nennenswerten Beitrag zum Schutz der Meere und Gletscher beitragen können. Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen, sagte, der Appell der Wissenschaft sei an Klarheit nicht zu überbieten. Bisher sei die Antwort der Bundesregierung auf diese Menschheitsaufgabe „nicht mehr als nur ein bisschen Pille-Palle“. Der Green­peace-Klimaexperte Karsten Smid erklärte, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse ihr „mutloses Klimapaket“ zurücknehmen.

Die Bundesregierung reagierte besorgt auf die Daten. So sagte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) bei einer Pressekonferenz mit Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU), wenn die Prognosen des IPCC einträten, „wäre das eine Welt, die wir nicht wiedererkennen würden“. Karliczek betonte, dass auch technologische Lösungen notwendig seien, um die Klimaziele zu erreichen. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) räumte ein, dass die Bundesregierung bisher nicht genügend getan habe. „Der Klimagipfel in New York war ein Weckruf: Wir liegen beim weltweiten Klimaschutz zurück.“

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