Jahresbericht der Bundesregierung Fortschritt im Schneckentempo bei der deutschen Einheit

Berlin · Trotz vieler Fortschritte hinken die neuen Bundesländer den alten wirtschaftlich weiter hinterher. Das geht aus dem aktuellen Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit hervor, den die Bundesregierung gestern verabschiedet hat.

Wie steht es um die Wirtschaftskraft im Osten?

Unmittelbar nach der deutschen Einheit im Jahr 1990 betrug die Wirtschaftsleistung pro Einwohner im Osten 43 Prozent des Westniveaus. Inzwischen sind es 74,7 Prozent. Das entspricht nahezu dem Durchschnitt der Europäischen Union. Während ein Einwohner im Westen im Jahr 2018 durchschnittlich 42 971 Euro erwirtschaftete, waren es im Osten pro Kopf nur 32 108 Euro. Seit 2010 ist der Aufholprozess damit nur noch im Schneckentempo vorangekommen. Der Unterschied hat sich lediglich um 3,1 Prozentpunkte verringert. „Auch 30 Jahre nach dem Fall der Mauer hat noch kein ostdeutsches Flächenland die Produktivität des westdeutschen Landes mit der niedrigsten Produktivität erreicht“, heißt es in dem Regierungsbericht.

Wie haben sich die Löhne entwickelt?

Die Löhne sind im vergangenen Jahr in ganz Deutschland spürbar gestiegen, im Osten sogar stärker als im Westen. 2018 betrug das durchschnittliche Monatsbrutto eines ostdeutschen Vollzeitbeschäftigten 2790 Euro. Damit verdiente er jedoch rund 16 Prozent weniger als sein Kollege im Westen. Vor zwei Jahren lag die Lohnlücke allerdings noch bei 19 Prozent. Für Tarifbeschäftigte ist die Lohneinheit schon fast erreicht. Aktuell liegen die Tariflöhne Ost im Schnitt bei 97,6 Prozent des Westniveaus.

Was sind die Hauptursachen für das West-Ost-Gefälle?

Der immer noch große Produktivitätsabstand erklärt sich laut Bericht mit strukturellen Faktoren. Dazu zählen die stärker ländliche Prägung Ostdeutschlands und eine nach wie vor existierende Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaft. Soll heißen: Es fehlen große Konzerne und mittelständische Unternehmen. Dadurch mangelt es auch an Investitionen zum Beispiel für Forschung und Entwicklung.

Wie denken die Ostdeutschen über ihre Lebenslage?

Einerseits sagen zwei Drittel der Ostdeutschen, dass sich ihre persönliche Lage seit 1990 verbessert hat. Andererseits halten nach einer Umfrage im Auftrag der Bundesregierung nur 38 Prozent die Wiedervereinigung für gelungen.

Wie reagiert die Bundesregierung?

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), warnte davor, die Entwicklung in den neuen Ländern klein zu reden. Längerfristig betrachtet habe es einen Schub bei der Ost-West-Angleichung gegeben. Angesichts der demografischen Herausforderungen und des Strukturwandels in den Kohleregionen seien viele Ostdeutsche aber auch „veränderungsmüde“, meinte Hirte. Bereits im Juli hatte die Bundesregierung Maßnahmen zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse beschlossen, von denen der Osten besonders profitieren soll. Dazu zählen die Ansiedlung staatlicher Behörden in strukturschwachen Regionen und die Stärkung der gesundheitlichen Versorgung im ländlichen Raum.

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