Regierungskrise in Thüringen Ramelows Vorgängerin soll’s richten

Erfurt · Den „Gordischen Knoten“ in Thüringen lösen – dabei soll Christine Lieberknecht (CDU) helfen. Die CDU greift den Vorschlag des Ex-Ministerpräsidenten auf.

 Bodo  Ramelow, hier nach dem Treffen von Rot-Rot-Grün mit der CDU, hat der Debatte über Wege aus der Krise einen unerwarteten Dreh gegeben.

Bodo Ramelow, hier nach dem Treffen von Rot-Rot-Grün mit der CDU, hat der Debatte über Wege aus der Krise einen unerwarteten Dreh gegeben.

Foto: dpa/Michael Reichel

Noch ein Tabubruch! Nach dem politischen Beben durch die Ministerpräsidentenwahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit AfD-Stimmen steuert Thüringen jetzt auf einen unorthodoxen rot-schwarzen Weg aus der Regierungskrise zu. Die Akteure: zwei Ex-Ministerpräsidenten –  Bodo Ramelow von der Linken und seine Vorgängerin Christine Lieberknecht von der CDU. Sicher ein unmögliches Gespann aus Sicht der Bundesparteien in Berlin. Für Thüringen jedoch eine Variante, über die es sich nachzudenken lohnt.

Die Idee, mit der Ramelow die CDU bei ihrem ersten Treffen zwei Wochen nach dem politischen Beben der Kemmerich-Wahl überraschte: Der Landtag beschließt seine Auflösung, Lieberknecht führt eine technische Regierung mit nur drei Ministern – die Parteibücher von Linke, SPD und Grünen haben – und organisiert den Weg zu schnellen Neuwahlen.

„Wir müssen erreichen, dass wir zu Neuwahlen kommen – und zwar alle erhobenen Hauptes“, begründet Ramelow seinen Vorschlag. Bei der Linken heißt es, der CDU sei damit eine Brücke gebaut worden – aber der Schachzug setzt die einstige Regierungspartei, die eigentlich keine Neuwahlen will, auch enorm unter Druck. Manche sprechen in den Landtagsgängen sogar von einem „vergiftetem Angebot“.

Entsprechend schwer tut sich die CDU mit einer Reaktion: Nach mehrstündiger Sitzung dankt Fraktionschef Mike Mohring für Rammelows „spannenden Vorschlag“. Natürlich sei die CDU für eine Wahl Lieberknechts. Aber: Sie will keine Mini-Regierung mit drei Ministern, sondern eine, die „vollständig besetzt und parteiübergreifend von berufenen Experten bestellt wird“, so Mohring. Diese Übergangsregierung soll auch einen Haushalt für 2021 aufstellen. Das Wort „schnelle Neuwahl“ ist von der CDU nicht zu hören. Wenn Neuwahlen, dann nach einem Haushaltsbeschluss, heißt es aus der Fraktion. Nur so gebe es die nötige Stabilität.

Aktuelle Umfragen prognostizieren der CDU – sie stellte seit der Wende bis 2014 stets die Ministerpräsidenten in Thüringen – bei schnellen Neuwahlen einen Absturz bis auf 13 Prozent. 21,7 Prozent waren es bei der Landtagswahl Ende Oktober. Zumindest wäre die CDU mit Lieberknecht als Übergangsministerpräsidentin wieder politisch im Spiel – und könnte sich vielleicht sogar als Retter in der Not verkaufen, heißt es dagegen aus dem Ramelow Lager.

Mohring, heißt es in der Fraktion, sei in einer Pause schnell zu Lieberknecht ins Weimarer Land gefahren, um sich ihrer Bereitschaft zu versichern, für eine Übergangszeit in die Landespolitik zurückzukehren. Die 61-Jährige, die sich im Herbst 2019 aus der Berufspolitik verabschiedete, habe keine eigenen Ambitionen, wolle sich der Aufgabe aber aus Verantwortung für das Land stellen, berichtete ein CDU-Abgeordneter.

Spekuliert wird im Landtag auch, wieso Ramelow jetzt den Weg mit einer Übergangsregierung gehen will, gegen den er noch in der vergangenen Woche Front gemacht hat. Der Grund: „Die CDU hat deutlich gemacht, dass sie ihm weder im ersten noch im zweiten Wahlgang ihre Stimme geben wird, sollte er sich erneut einer Ministerpräsidentenwahl stellen“, sagen Vertreter von Rot-Rot-Grün. Damit sei sein bisher favorisierter Weg – er führt eine Minderheitsregierung, die Neuwahlen einleitet – versperrt. Rot-Rot-Grün fehlen im Landtag vier Stimmen und nicht nur Ramelow will tunlichst vermeiden, dass es auf AfD-Stimmen ankommen könnte.

 Wird  Christine Lieberknecht (CDU) übergangsweise die Regierungsgeschäfte in Thüringen übernehmen?

Wird Christine Lieberknecht (CDU) übergangsweise die Regierungsgeschäfte in Thüringen übernehmen?

Foto: dpa/Michael Kappeler

Aber wieso Lieberknecht, die nach ihrem Regierungsverlust 2014 von der CDU als einfache Abgeordnete kaum noch beachtet wurde? Beide kennen sich fast drei Jahrzehnte –  noch als Lieberknecht Ministerin war und Ramelow Gewerkschaftsfunktionär. Nie war von einem der beiden ein abfälliges Wort über den anderen zu hören. „Ich schätze sie als klare Demokratin“, sagt Ramelow. Und Lieberknecht? Die CDU-Frau und Pastorin äußert sich öffentlich nicht zu den Avancen. Die Personalie stehe erst zur Diskussion, wenn es zwischen der Linken und der CDU Einvernehmen geben sollte, heißt es aus ihrem Umfeld.

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