Wie die AfD zu Israel steht Nach außen hin für Israel, innen gern auch mal antisemitisch

Berlin · Die AfD verhält sich gerne pro-israelisch. Reine Taktik, sagt Ex-AfD-Mitglied Mieruch, der im Bundestag als Kronzeuge gegen seine frühere Partei auftritt.

Die AfD hat mit pro-israelischen Anträgen im Bundestag überrascht, auch fordert sie ein Verbot der radikalislamischen Hisbollah und die Einstellung der Zahlungen an das palästinensische Flüchtlingshilfswerk UNWRA. Außerdem gibt es eine Gruppe namens „Juden in der AfD“. Alles nur Fake, ein Schafspelz für den Wolf? Am Montagabend gab es dazu in einem Ausschusssaal des Bundestages einen ungewöhnlichen Vortrag. Von einem Ex-AfD-Mitglied.

Eingeladen hatte die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG), in der viele Mitglieder verunsichert sind, wie sie sich den Rechtspopulisten gegenüber angesichts ihres Pro-Israel-Kurses verhalten sollen. Es sprach ein Insider: Der Bundestagsabgeordnete Mario Mieruch, der 2017 zusammen mit Ex-Parteichefin Frauke Petry aus der Partei ausgetreten war. Er kennt fast alle Akteure. Für Israel, sagte er, seien die AfDler „die falschen Freunde“.

Mit zahlreichen Beispielen versuchte der 44-jährige gebürtige Magdeburger, der jetzt in Nordrhein-Westfalen lebt, das zu belegen. So sei die Distanzierung von antijüdischen Haltungen oft rein taktisch motiviert. Der heutige Bundestagsabgeordnete Martin Sichert schrieb etwa im Skandal um den Stuttgarter Landtagsabgeordneten und Antisemiten Wolfgang Gedeon an seine Mitglieder, sie sollten einem Ausschluss zustimmen, „egal, wie Sie zu Herrn Gedeon stehen“. Personen seien unwichtig und austauschbar. Aber: „Mit einer Debatte über Zionismus oder Holocaustleugnung schrecken wir 98 Prozent der Menschen ab.“ Mieruch zitierte auch Tweets, in denen nach dem Anschlag von Halle gefragt wurde, was denn schlimmer sei, eine beschädigte Synagogen-Tür oder getötete Deutsche. Sie wurden auch von prominenten AfD-Leuten geteilt. Und was die Gruppe „Juden in der AfD“ angeht, so zeigte Mieruch Fotos, auf denen etliche der Mitglieder bei fröhlichen Treffen mit führenden Vertretern des rechtsradikalen „Flügels“ um Björn Höcke zu sehen waren.

Zahlreiche Äußerungen einfacher AfD-Mitglieder, in denen die Wehrmacht und Hitler verherrlicht werden, komplettierten das Bild. So trug in Sachsen ein blaues AfD-Parteifahrzeug das Kennzeichen L – GD 3345. Groß-Deutschland, 1933 bis 1945, heißt das in der Szene. Und jüngst twitterte ein Fraktionsmitarbeiter im Europaparlament nach den Vorgängen in Thüringen: „Die Auswanderung Michel Friedmans rückt näher.“

Die AfD unterstützt Israel nach Mieruchs Einschätzung aus taktischen Gründen. „Die Leute sollen denken: Wer pro-israelisch ist, kann nicht antisemitisch sein. Und wer nicht antisemitisch ist, kann nicht rechtsradikal sein“. Gleichzeitig seien aber AfD-Delegationen in die von Assad kontrollierten Gebiete in Syrien gereist, um zu erkunden, ob Flüchtlinge dorthin wieder zurück können. Auch gebe es wegen der Flüchtlingsfrage Kontakte zu Israels anderem Erzfeind, den Iran. „Das passt alles nicht zusammen.“

Mieruch, der einst wegen der Euro-Politik in die AfD eintrat, hat mit der Partei gründlich gebrochen. Schleichend habe Höckes Gruppe dort die Macht übernommen. „2016 war uns klar, dass wir den Kampf dagegen verloren hatten.“ Wenn er nach einer Rede vom Pult zurückkehre, werde er oft unflätig von ehemaligen AfD-Abgeordneten beschimpft, schilderte der jetzt fraktionslose Parlamentarier. Dennoch war sein Urteil differenziert. „Ich behaupte nicht, dass die Partei insgesamt antiisraelisch und antisemitisch ist. Aber es gibt eben eine wahnsinnig große Ambivalenz“.

Mit der muss auch die DIG umgehen. Beschlusslage der Vereinigung ist einstweilen, dass es keinerlei offizielle Zusammenarbeit gibt und AfD-Angehörige „nicht willkommen“ sind. Allerdings wurde auch noch niemand ausgeschlossen, bei dem später eine AfD-Mitgliedschaft bekannt wurde.

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