Interview Patrick Schnieder „AfD entwickelt sich zur NPD 2.0“

Berlin · Der Parlamentsgeschäftsführer der Union fordert nach Störaktion im Bundestag härtere Strafen.

  Patrick Schnieder bei einer Rede im Bundestag. Der Parlamentsgeschäftsführer der Union sieht die AfD außerhalb des demokratischen Konsenses.

Patrick Schnieder bei einer Rede im Bundestag. Der Parlamentsgeschäftsführer der Union sieht die AfD außerhalb des demokratischen Konsenses.

Foto: Christophe Gateau/dpa/Christophe Gateau

Die rechten Aktionen im Reichstag während der Debatte über das Infektionsschutzgesetz in der letzten Woche wirken nach. Gegen die beteiligten Abgeordneten, die die Störer ins Parlament ließen, verhängte die AfD-Fraktion nun Strafmaßnahmen. CDU/CSU reicht das aber nicht. Der Bundestag müsse seinerseits Strafen verschärfen, so der aus der Eifel stammende Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion, Patrick Schnieder (CDU), im Gespräch mit unserer Redaktion.

Herr Schnieder, die AfD hat den an den Störaktionen beteiligten Abgeordneten das Rederecht für drei Monate entzogen. Reicht ihnen das?

SCHNIEDER Ich halte das für Augenwischerei. Genauso wie die Entschuldigung von Herrn Gauland im Bundestag. Die Abgeordneten haben gewusst, wen sie in den Reichstag hineinschleusen und welche Ziele diese Leute verfolgen. Es gab Ankündigungen im Netz und Videos, die inzwischen gelöscht wurden. Das ist nicht glaubwürdig.

Was hätten Sie denn erwartet?

SCHNIEDER Provozieren und danach zurückrudern, die AfD macht genau was ich von ihr erwartet habe. Die AfD hat sich jetzt aber selbst die Maske vom Gesicht gerissen. Diese Partei hat ihre Handlanger dafür, ganz offen Abgeordnete zu bedrängen, zu bedrohen und einzuschüchtern. Und die AfD hat keine Skrupel, diesen Handlangern die Tür in den Bundestag zu öffnen. Seit die Partei im Bundestag ist, radikalisiert sie sich; es gibt nur noch vereinzelt so etwas wie eine bürgerliche Fassade. Ich sehe es so wie viele: Die AfD entwickelt sich zu einer NPD 2.0.

Wie soll der Bundestag darauf reagieren? Sie sind ja auch Mitglied im Ältestenrat.

SCHNIEDER Wir dürfen nicht zulassen, dass Nötigung oder gar Gewalt zum Mittel der parlamentarischen Auseinandersetzung im Bundestag werden, wir müssen das Parlament schützen. Dafür werden wir auch mögliche Lücken in der Geschäftsordnung und dem Abgeordnetengesetz schließen. Denn mit vielen Dingen, die hier im Hohen Hause seit einiger Zeit passieren, haben wir Demokraten nicht gerechnet.

Was meinen Sie konkret?

SCHNIEDER Ich plädiere dafür, die Vorgabe in der Geschäftsordnung des Bundestages zu kippen, durch die jede Fraktion einen Anspruch auf den Posten eines Vizepräsidenten hat. Die sogenannte Grundmandatsklausel muss weg. Als Unionsfraktion haben wir diese Regelung schon bei der Einführung 1994 kritisiert und auf Probleme hingewiesen. Außerdem müssen wir die Sanktionen bei Fehlverhalten von Abgeordneten nachbessern.

Welche schweben ihnen da vor?

SCHNIEDER Abgeordnete, die Störern mithelfen, müssen mit Konsequenzen rechnen. Im aktuellen Fall können wir die AfD-Parlamentarier nur dann zur Rechenschaft ziehen, wenn die Personen, die sie in den Bundestag gelassen haben, auch Straftaten begangen haben. Das wird derzeit geprüft. Dann könnte Beihilfe vorliegen. Wir müssen ein solches Verhalten zugleich über die Geschäftsordnung und das Abgeordnetengesetz sanktionieren können. Mit hohen Ordnungsgelder und Ausschluss von Plenarsitzungen. Es muss schmerzen, wenn man sich so verhält.

An diesem Donnerstag steht wieder ein AfD-Kandidat für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten zur Wahl. Er hat keine Chance, oder?

SCHNIEDER Null Chance. Ich habe mir anfänglich immer überlegt, ob es jemanden in der AfD-Fraktion gibt, der grundsätzlich für dieses wichtige Amt wählbar ist. Damit das Thema endlich abgeräumt ist. Mir ist mittlerweile klar, es gibt keinen. Da ist eine Truppe zusammengekommen, die den demokratischen Konsens verlassen hat.

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