SPD-Kanzlerkandidat wird wegen Cum-Ex und Wirecard im Bundestag befragt Scholz pariert die Attacken mit stoischer Ruhe

Berlin · Der SPD-Kanzlerkandidat muss sich wegen Cum-Ex und Wirecard im Bundestag peinliche Fragen gefallen lassen.

 Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat gestern im Finanzausschuss eingeräumt, dass er sich in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister zwei weitere Male mit Eigentümern der in Cum-Ex-Geschäfte verwickelten Warburg-Bank getroffen hatte. Zunächst hatte er nur von einem Treffen gesprochen. Der Bank wurden hinterher Steuernachforderungen in Millionenhöhe erlassen, womit der SPD-Kanzlerkandidat ebenso wenig zu tun haben will, wie mit der üppigen Wahlkampfspende, die die Hamburger SPD kurz danach von der Bank erhielt.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat gestern im Finanzausschuss eingeräumt, dass er sich in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister zwei weitere Male mit Eigentümern der in Cum-Ex-Geschäfte verwickelten Warburg-Bank getroffen hatte. Zunächst hatte er nur von einem Treffen gesprochen. Der Bank wurden hinterher Steuernachforderungen in Millionenhöhe erlassen, womit der SPD-Kanzlerkandidat ebenso wenig zu tun haben will, wie mit der üppigen Wahlkampfspende, die die Hamburger SPD kurz danach von der Bank erhielt.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Es ist elf Uhr, als der Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat am Mittwoch mit einer schwarzen Maske im Gesicht den Sitzungssaal des Finanzausschusses betritt. Der hat kurzfristig seine Tagesordnung ergänzt: „Gespräch mit Herrn Olaf Scholz zum Umgang mit Steuerforderungen/Cum-Ex-Geschäften“. Noch bevor es losgeht, sagt draußen die Grünen-Politikerin Lisa Paus: „Er hat gelogen“. Das ist insofern besonders bemerkenswert, als Paus mit ihrer Partei eine bevorzugte Koalitionspartnerin wäre, um Scholz 2021 zum Kanzler zu machen. Zusammen mit den Linken. Die wiederum haben für den Nachmittag eine aktuelle Stunde im Bundestag zum gleichen Thema beantragt. Nach Rot-Rot-Grün sieht es an diesem Tag nicht gerade aus.

Fakt ist, dass sich Scholz als Hamburger Bürgermeister 2016 mit den Eigentümern der Warburg-Bank getroffen hat, gegen die gerade ein Steuerverfahren wegen so genannter Cum-Ex-Geschäfte lief. Dabei hatten sich Finanzinstitute systematisch Erstattungen für vermeintlich zu viel gezahlte Kapitalertragssteuern erschlichen. Ehe die Lücke geschlossen wurde, sollen dem Fiskus so bundesweit mindestens zehn Milliarden Euro aus der Tasche gezogen worden sein. Bei der Warburg-Bank ging es um 47 Millionen Euro, die das Hamburger Finanzamt zunächst von der Bank zurückverlangte.

Fakt ist, dass die Behörde darauf kurz nach dem Gespräch im Bürgermeisterbüro verzichtete und auch 2017 auf weitere 43 Millionen Euro an Rückzahlungen verzichten wollte, was aber dann am Einwand des Bundesfinanzministeriums unter seinem damaligen Chef Wolfgang Schäuble (CDU) scheiterte. Fakt ist, dass Scholz in der Sitzung des Finanzausschusses am 1. Juli nur einen Termin mit den Warburg-Vertretern eingeräumt hat. Nun gibt er zu, dass es zwei weitere Treffen gab. Medien hatten das zuvor enthüllt. Er habe das nicht erwähnt, weil er sich weder an die Termine noch an die Themen erinnert habe, sagt der Minister. Paus spricht hinterher von „voller Amnesie“, also Gedächtnisverlust, des Kanzlerkandidaten.

Doch der Hauptverdacht, dass der SPD-Politiker sein Hamburger Finanzamt angewiesen haben könnte, auf das Geld zu verzichten, wird an diesem Tag nicht bewiesen. Genau diesen Verdacht bestreitet Scholz vehement. Mitnichten habe er sich in das Steuerverfahren eingemischt. Die Behörde sei absolut unabhängig. „Eine politische Intervention hat es nicht gegeben.“ Und Cum-Ex-Geschäfte bekämpfe er mit allen Mitteln. Auch mit üppigen Wahlkampfspenden der Warburg-Bank kurz danach an die Hamburger SPD habe er nichts zu tun gehabt.

Vor der Tür diskutieren Journalisten, ob man ihm glauben kann. Die einen sagen ja, denn Scholz sei ein Sozialdemokrat mit Werten, der werde Steuerhinterzieher nicht unterstützen. Schon gar nicht reiche Banker. Die anderen sagen nein, Scholz sei sehr wirtschaftsfreundlich. Ähnliche Debatten könnten nun auch im Volk aufkommen, denn sie beschreiben das ambivalente Image des Kandidaten recht präzise. Die SPD stellt sich an diesem Mittwoch hinter ihren Hoffnungsträger. Das Ganze sei „ein gezielter Vorwurf, den Kanzlerkandidaten der SPD zu beschädigen“, sagt Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider.

Dessen Lack hatte allerdings schon einen weiteren Kratzer abbekommen: die Wirecard-Affäre. Bei der geht es nicht um Begünstigung, sondern um Schlamperei. Warum fiel den Scholz unterstehenden Aufsichtsbehörden so lange nicht auf, dass der Dax-Konzern mit getürkten Bilanzen arbeitete? Das ist eines der zentralen Themen der Fragestunde mittags im Bundestag, dem dritten Forum, dem sich der SPD-Mann an diesem Tag stellen muss.

Scholz reagiert stoisch, wie man ihn kennt. Auch er sei dafür, dass der Staat „immer stärkere Instrumente“ gegen einen solchen Bilanzbetrug bekomme, betont er. Deshalb habe er schon einen Aktionsplan vorgelegt. Jeden der Kritiker im Bundestag guckt er freundlich an. „Schönen Dank für Ihre Frage“, sagt er als erstes, bevor er leise seine Antworten gibt. Und dass er froh sei, „dass wir das Thema hier heute diskutieren“. In der Seefahrerstadt Hamburg nennt man so etwas wohl den Versuch, jemandem den Wind aus den Segeln zu nehmen.

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