Der Vizevorsitzende der Gewerkschaft der Polizei über den Anschlag in Halle „Wir können nicht überall sein“

Berlin · Der Vizevorsitzende der Gewerkschaft der Polizei beklagt die Personalknappheit und weist Vorwürfe gegen die Beamten in Halle zurück.

 Jörg Radek, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Jörg Radek, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Foto: picture alliance / dpa/Arno Burgi

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, nannte es am Donnerstag „skandalös“, dass die Synagoge in Halle an einem Feiertag wie Jom Kippur nicht durch die Polizei geschützt gewesen sei. Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GDP), Jörg Radek, wies den Vorwurf im SZ-Interview zurück.

Herr Radek, warum hat die Polizei die Hallenser Synagoge nicht gesichert?

RADEK Damit die Polizei ein Objekt beschützen kann, muss eine Gefährdungsprognose vorliegen. Das heißt, mit den Menschen, die in dem Objekt arbeiten oder sich dort aufhalten, ist abzusprechen, ob eine Gefahr besteht und worin sie besteht. Mir ist nicht bekannt, dass es im Vorfeld zu solchen Gesprächen mit der Polizei in Halle kam.

Gibt es keine grundlegenden Schutzregelungen für jüdische Einrichtungen?

RADEK Nein. Das kann von Objekt zu Objekt sehr unterschiedlich sein. In manchen Städten ist es üblich, dass Polizisten bei Synagogen oder jüdischen Buchläden verstärkt Streife laufen oder das Objekt durch eine ständige Postierung gesichert wird. In anderen Kommunen ist das nicht der Fall.

Unterschätzt die Polizei die Gefährlichkeit der rechtsextremen Szene?

RADEK Tatsache ist, dass wir uns in den letzten Jahren auf den islamistischen Terrorismus konzentriert haben und andere Problemfelder wie eben den Rechtsextremismus schon wegen unserer angespannten Personallage weniger auf dem Schirm haben konnten. Die Bluttat in Halle hat auch gezeigt, dass es der Polizei wegen ihres begrenzten Personals schwerfällt, einen ganzheitlichen Schutz zu organisieren – also, sowohl den islamistischen Terrorismus als auch den Rechts- und Linksextremismus sowie die Clan-Kriminalität gleichermaßen zu bekämpfen. Wir können nicht überall sein.

Müssen die Sicherheitskonzepte jetzt nicht dringend überarbeitet werden?

RADEK Da muss man erst einmal abwarten, was die Ermittlungen in Halle ergeben. Bei aller Kritik an der Polizei sollte man allerdings auch in Betracht ziehen, dass wir den Täter zügig ermitteln und festnehmen konnten. Auch hat man in Halle sofort den Bahnhof gesperrt, um Fluchtmöglichkeiten einzugrenzen. So gesehen hat die Polizei nach den Schüssen sehr umsichtig und professionell gehandelt. Jetzt geht es um die Frage, ob es wirklich ein Einzeltäter war, oder ob er Hintermänner hat. Auch deshalb wäre es noch zu früh, bestehende Sicherheitskonzepte in Frage zu stellen.

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