Barroso verspricht eine neue EU

Brüssel. Neue Impulse für eine CO2-arme Wirtschaft, Kampf für die Rechte der Arbeitnehmer, Initiativen zu Gunsten der fast acht Millionen Arbeitslosen in der EU, Lockerung der Bürokratie zur Unterstützung der Konjunkturprogramme - mit diesen Zusagen wirbt Kommissionpräsident José Manuel Barroso bei den Europa-Abgeordneten um die Mehrheit für seine zweite Amtszeit

Brüssel. Neue Impulse für eine CO2-arme Wirtschaft, Kampf für die Rechte der Arbeitnehmer, Initiativen zu Gunsten der fast acht Millionen Arbeitslosen in der EU, Lockerung der Bürokratie zur Unterstützung der Konjunkturprogramme - mit diesen Zusagen wirbt Kommissionpräsident José Manuel Barroso bei den Europa-Abgeordneten um die Mehrheit für seine zweite Amtszeit. Auf über 60 Seiten hat der 53-jährige Portugiese in seinem Urlaub zusammengetragen, welche Schwerpunkte er setzen will: "Europa braucht in stürmischen Zeiten eine Agenda für den Wandel. Wir müssen uns entscheiden: Entweder wir gestalten gemeinsam die neue Ordnung oder aber Europa verliert an Bedeutung", schreibt er in dem emotional gehaltenen Papier, das gestern veröffentlicht wurde: "Ich möchte eine neue Leidenschaft für Europa wecken."

Die wird er selber brauchen. In der kommenden Woche tingelt der Kommissionspräsident durch die Fraktionen, die dann festlegen wollen, ob eine Mehrheit für Barroso so sicher ist, dass sie dessen Wahl für den 16. September auf die Tagesordnung setzen. Bislang standen die Konservativen und mit Abstrichen auch die Liberalen hinter ihm. Grüne und Sozialdemokraten würden die Bestätigung des Kommissionschefs aber am liebsten verschieben und erst einmal abwarten, wie die zweite Volksabstimmung in Irland über den Lissabonner Vertrag am 2. Oktober ausgeht. Doch seit Mittwochabend hat sich die Lage völlig verändert. In Prag haben nämlich Euroskeptiker Verfassungsklage gegen den Reformvertrag der EU erhoben. Zwar hatten Parlament und Senat sowie das höchste Gericht schon einmal das EU-Dokument abgenickt. Doch nun ist die Lage ernster: Die Richter wollen nämlich nicht entscheiden, bevor Tschechien auch wieder eine ordentliche Regierung hat. Staatspräsident Vaclav Klaus hatte Neuwahlen für den Herbst angesetzt. Das Gericht lehnte dies ab - auf unbestimmte Zeit. Damit scheint auch eine Zustimmung zum EU-Vertrag vorerst unmöglich.

Die Gemeinschaft steht vor einer völlig neuen Situation. Bislang ging es nämlich nur darum, Barroso für eine Übergangszeit zu wählen. Nach Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages hätte die ganze Prozedur wiederholt werden müssen, weil sich die Größe und Aufgabenverteilung der Kommission dann geändert hätten. Nach der Entwicklung in Prag aber geht es nicht mehr um eine Zwischenlösung, sondern eine ordentliche neue Kommission.

Diese Ereignisse, so hieß es gestern in Brüssel, entkräften genau genommen auch die bisherigen Einwände von Grünen und Sozialdemokraten gegen eine baldige Wahl Barrosos. Der kann sich nach der Vorlage seiner "brauchbaren Vorschläge" - so der Chef der CDU-Europa-Abgeordneten Werner Langen - nun berechtigte Hoffnungen machen, dass er in der übernächsten Woche die Stimmen bekommt, die er braucht. Andernfalls wäre die Union tatsächlich führungslos. Und das wollen nicht einmal seine ärgsten Gegner.

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