Babywunsch auf Eis

Berlin · Social Freezing – für manche ist es unheimlich, für andere faszinierend. Immer mehr junge Frauen in Deutschland denken aber zumindest darüber nach, ob das vorsorgliche Einfrieren von Eizellen für sie eine Option ist.

"Ich will einfach Druck rausnehmen und Zeit gewinnen", sagt Joanna H. Die 35-Jährige ist Single und liebt ihren anspruchsvollen Job in der Hotelbranche . Aber sie will auch ein Kind, irgendwann in den nächsten Jahren. Seit anderthalb Jahren denkt sie deshalb über Social Freezing nach - und sieht darin wie viele andere Frauen mit grundsätzlichem Babywunsch vor allem eines: eine Option für den Fall, der hoffentlich nicht eintritt.

Lange Zeit war das Verfahren, Eizellen einzufrieren, um sie später auftauen und im Labor befruchten zu lassen, vor allem Krebspatientinnen vor einer schädigenden Therapie vorbehalten. Doch als im Herbst die US-Unternehmen Apple und Facebook ankündigten, ihren Mitarbeiterinnen als Teil eines größeren Versorgungspaketes das Egg Freezing zu sponsern, bekam das Ganze auch hierzulande einen neuen Dreh.

Eine Mischung aus Faszination und Empörung flutete durch Deutschland. Unter jungen Frauen - aber nicht nur unter ihnen - wurde lebhaft und kontrovers diskutiert. Verschafft diese neue Option, eine Schwangerschaft ein paar Jahre aufzuschieben, nun tatsächlich Freiheit? "Die Zahl der Interessentinnen ist gestiegen. Aber längst nicht jede Frau, die nachfragt, lässt den Eingriff tatsächlich machen", berichtet Sebastian Ellinghaus. Er betreibt profertilitaet.de, das mehrere Kinderwunschzentren bundesweit als vorgeschaltetes Infoportal nutzen. Ellinghaus schätzt, dass es hierzulande nicht mehr als 1000 Anfragen pro Jahr gibt - und noch deutlich weniger Frauen den Schritt schließlich tun.

In Berlin machten vor kurzem ein paar junge Frauen diesen Schritt öffentlich: Bei einer Werbeveranstaltung für die Zusammenarbeit zwischen einer Gruppe von Kinderwunschzentren (VivaNeo) und einer Eizellbank (Seracell) saßen unter anderem die Unternehmerinnen Karina Schönberger (26) und Pia Poppenreiter (28) auf dem Podium. Auch sie sind Singles und wollen beruflich erstmal durchstarten. "Ich habe es für mich gemacht", sagte Poppenreiter danach dem Online-Magazin Gründerszene - und erntete prompt bissige Kommentare. "Ich wollte mir selbst den Druck nehmen, schwanger werden zu müssen, weil mir die Zeit davonläuft. Ich bin ein extrem ehrgeiziger Mensch und mir ist meine Karriere sehr, sehr wichtig." Mit zunehmendem Alter wird es für Frauen schwieriger, auf klassische Art schwanger zu werden. Karina Schönberger hofft eigentlich, noch vor ihrem 30. Geburtstag ein Kind auf natürlichem Wege zu bekommen. Falls das jedoch nicht klappe, seien die eingefrorenen Eizellen ihr Plan B, eine Versicherung für den Lebenstraum, sagte sie dem "Handelsblatt".

Dank des modernen Vitrifikationsverfahrens, bei dem die Eizellen besonders schnell und damit schonend eingefroren werden, überleben heute 85 Prozent der Zellen. Allerdings bringt eine 35- bis 40-jährige Frau mit unerfülltem Kinderwunsch, der ein Mal Eizellen entnommen wurden, später nur in 20 bis 30 Prozent der Fälle ein lebendes Kind zur Welt. Zwar dürfte die Quote bei rundum gesunden Frauen höher ausfallen - aber eine Garantie auf Elternschaft sieht anders aus.

In den USA gibt es Social Freezing Parties, wo das Prozedere bei einem Glas Prosecco - einer Tupperparty nicht unähnlich - vorgestellt wird. Die große Chance wird da zugleich auch zum guten Geschäft. Denn für lau ist die vertagte Babyoption nicht zu haben: Mindestens 3500 Euro plus Lagerkosten sind fällig, die Krankenkasse bezahlt nichts. Im optimalen Alter von 25 Jahren dürfte das für viele Frauen nicht leicht zu stemmen sein. Und doch: Das Thema ist da bei jungen Frauen. Auch Joanna H. hat es in all seinen Schattierungen nicht allein im stillen Kämmerlein gewälzt. "Wir haben uns im Freundinnenkreis entschlossen, das jetzt gemeinsam anzugehen. Aber ich würde einer Tochter später sagen, dass sie früher darüber nachdenken soll."

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