„Familienplanung lässt sich so nicht steuern“

Social Freezing ist auch im Saarland möglich. Dr. Lars Happel vom Kinderwunschzentrum IVF in Saarbrücken warnt aber vor der Utopie, dieses Verfahren könne Frauen zu mehr Freiheit verhelfen. Mit dem Arzt sprach SZ-Redakteurin Iris Neu.

Das Interesse am Social Freezing wächst inzwischen auch in Deutschland. Bieten Sie die Behandlung in Ihrem Zentrum an?

Happel: Wir bieten die Methodik an, setzen den Frauen aber nicht die rosarote Brille auf. Der Behandlung geht ein längeres Beratungsgespräch voraus, wobei wir über die Chancen und Risiken aufklären. Das Verfahren wurde ja eigentlich aus einer medizinischen Notwendigkeit heraus angewandt, etwa bei krebskranken Frauen , bei denen die Chemotherapie die Fruchtbarkeit eliminiert. In erster Linie möchten wir eingeschränkt fruchtbaren Menschen zu Kindern verhelfen.

Registrieren Sie ein gesteigertes Interesse an diesem Verfahren - auch im Saarland?

Happel: Nein, das Interesse ist hier noch nicht groß. Wir hatten in den letzten zwei Jahren vielleicht 20 Patientinnen, die mit diesem Wunsch zu uns kamen. Es sind unter anderem Frauen , deren Beziehung gescheitert ist und die nicht wissen, ob der Kinderwunsch bei einer nächsten Partnerschaft noch realisierbar ist. Natürlich lehnen wir die Behandlung solcher Frauen nicht ab. Aber primäres Ziel sollte sein, dem natürlichen Weg eine Chance zu geben.

Gehört dem Social Freezing die Zukunft der Familienplanung ?

Happel: Nein, auf keinen Fall. Familienplanung lässt sich so sicherlich nicht steuern, das ist eine Utopie. Pillen-Erfinder Carl Djerassi sagte einmal, eines Tages werden Männer ihre Spermien und Frauen ihre Eizellen einfrieren lassen und sich dann sterilisieren lassen. Mit dem Ziel, ihre Lebensplanung besser steuern zu können. Das wäre für mich ein Albtraum-Szenario - das steht uns nicht zu.

Verschafft das Verfahren jungen Frauen , die beispielsweise im Beruf erst mal durchstarten wollen, nicht etwas mehr Luft bei ihrer Lebensplanung?

Happel: Nein, das Leben wird dadurch nicht leichter, die Frauen bekommen dadurch nicht mehr Freiheit. Im Gegenteil, der Druck verlängert sich, wenn man sich nicht in der fruchtbaren Phase entscheidet, den Kinderwunsch anzugehen. Manche Frauen warten vergeblich auf den passenden Zeitpunkt. Mit 25 ist er nicht gekommen, weil die Ausbildung noch nicht fertig ist. Mit 30 nicht, weil man gerade richtig im Job angekommen ist und mit 40 kommt der berufliche Zenit. Mit 50 ist es dann medizinisch nicht mehr vertretbar.

Es gibt ja Unternehmen, die Ihren Mitarbeiterinnen eine solche Behandlung sponsern . . .

Happel: Das halte ich für ein völlig falsches Signal. Dieses Angebot stellt keine Freiheit dar, sondern es stellt Frauen unter das Diktat einer Firma. Statt Frauen dabei zu unterstützen, ihre Eizellen einfrieren zu lassen, wäre es doch viel eher angebracht, Paare dabei zu unterstützen, ihren Kinderwunsch in der Phase ihrer Fruchtbarkeit zu erfüllen.

Wie sieht es denn mit den Risiken und Strapazen aus?

Happel: Die werden oft unterschätzt. So ist es etwa extrem individuell, wie viele Eizellen wir entnehmen müssen. Oft finden mehrere Entnahmen statt, für die sich die Frauen auch einer intensiven Hormonbehandlung unterziehen müssen. Und dann gibt es unter dem Strich keine Garantie dafür, dass es eine echte Reserve ist. Erweisen sich am Ende die eingefrorenen Eizellen als doch nicht geeignet, kann es bei Frauen zu einer schweren Depression kommen. Weil dann womöglich auch die Zeit der natürlichen Fruchtbarkeit verstrichen ist.

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