USA wollen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 mit Sanktionen stoppen Wer darf Gas nach Europa liefern?

Washington/Moskau · Die USA wollen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 mit Sanktionen stoppen, die Gas von Russland direkt nach Deutschland liefern soll — angeblich, um Europa zu schützen.

 Gas aus Russland

Gas aus Russland

Foto: SZ/Müller, Astrid

Auf den letzten Metern wollen die USA die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 noch verhindern – und sorgen damit für Empörung in Europa. Das US-Repräsentantenhaus brachte Sanktionen gegen Firmen im Zusammenhang mit dem Projekt auf den Weg. „Die europäische Energiepolitik wird in Europa entschieden, nicht in den USA“, stellte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Donnerstag klar. Russland wertet die geplanten Strafmaßnahmen als einen Versuch Washingtons, sich Vorteile auf dem europäischen Gasmarkt zu verschaffen. Aus Sicht Moskaus wird Europa das Nachsehen haben.

Zuvor hatten die Abgeordneten im US-Kongress mit großer Mehrheit für die geplanten Sanktionen gestimmt. Sie sind eingebettet in ein Gesetzespaket zum Verteidigungshaushalt. Erwartet wird, dass der Senat das Paket noch vor Beginn der Sitzungspause Ende nächster Woche verabschiedet. Ein Termin dafür steht noch nicht fest. US-Präsident Donald Trump hatte bereits per Twitter angekündigt, dass er das Gesetzespaket „sofort“ unterschreiben werde.

„Eingriffe von außen und Sanktionen mit extraterritorialer Wirkung lehnen wir grundsätzlich ab“, teilte der deutsche Außenminister mit. Die Union im Bundestag wurde deutlicher: „Das ist nun nicht mehr nur ein unfreundlicher, sondern ein feindlicher Akt der USA gegen ihre Verbündeten und ganz Europa.“ Die deutsche Wirtschaft in Russland verurteilte die Sanktionen als Schlag gegen die Energiesicherheit in Europa und forderte Gegenmaßnahmen.

Ob die EU entsprechende Schritte gehen möchte, blieb zunächst offen. Handelskommissar Phil Hogan wich der Frage aus, ob die EU im Fall von US-Sanktionen mit Vergeltungsmaßnahmen antworten würde. Man wolle sich die US-Pläne zunächst genau anschauen, sagte er und betonte: „Die EU wendet sich prinzipiell gegen die Verhängung von Sanktionen gegen EU-Unternehmen, die legitime Geschäfte betreiben.“

Nord Stream 2 soll ab 2020 unter Umgehung von Polen und der Ukraine Gas von Russland nach Deutschland liefern. Bislang wurden nach Angaben des Nord-Stream-2-Konsortiums mehr als 2100 Kilometer des Doppelstrangs in der Ostsee verlegt, rund 300 Kilometer fehlen noch. Der US-Kongress will die Fertigstellung des Projekts verhindern. Die Sanktionen könnten es zumindest verzögern.

„Wir glauben, dass es das Projekt im schlimmsten Fall verzögern und verteuern kann, aber nicht aufhalten“, sagte Michael Harms, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft. Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow ging zuletzt davon aus, dass auch die letzten Rohre durch die Ostsee verlegt werden.

Der Chef der deutsch-russischen Auslandshandelskammer, Matthias Schepp, sagte, die energiepolitische Unabhängigkeit Europas stehe auf dem Spiel. Nord Stream 2 erhöhe die Energiesicherheit in Europa und sorge für günstige Energiepreise – auch im Vergleich zum teureren amerikanischen Flüssiggas (LNG). Mit möglichen US-Strafmaßnahmen würden die Interessen Europas und der Verbraucher verletzt, warnte auch der russische Vize-Außenminister Alexander Gruschko der Agentur Interfax zufolge. Alle Projekte Russlands würden die Energiesicherheit Europas stärken. Die USA hingegen wendeten Instrumente an, die „gegen das Völkerrecht verstoßen und den gesunden Menschenverstand zuwiderlaufen“.

Die USA argumentieren, dass sich Deutschland mit Nord Stream 2 von Russland abhängig macht. Harms warnte dagegen: „Sollten die Sanktionen umgesetzt werden, drohen zudem steigende Energiepreise zum Nachteil der europäischen Industrie und Verbraucher.“ Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschuss im Bundestag, Norbert Röttgen, sagte der Augsburger Allgemeine: „Die Sanktionen dürften allerdings erst nach Fertigstellung der Pipeline ihre Wirkung entfalten.“ 

Die Sanktionen im „Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit“ zielen auf die Betreiberfirmen der hoch spezialisierten Schiffe ab, mit denen die Rohre für die Pipeline durch die Ostsee verlegt werden. Auch Turkish Stream – eine russische Pipeline, die durch das Schwarze Meer Gas in die Türkei bringen soll – wäre betroffen. Die Sanktionen sollen auch für Folgeprojekte beider Pipelines gelten.

Das Gesetz sieht vor, dass der US-Außenminister in Absprache mit dem Finanzminister dem Kongress binnen 60 Tagen berichtet, welche Schiffe eingesetzt werden und welche Firmen diese Schiffe zur Verfügung gestellt haben. Gegen Manager der Firmen und deren Hauptaktionäre mit Kontrollmehrheit sollen Einreiseverbote in die USA verhängt werden. Bestehende Visa sollen widerrufen werden. Transaktionen der Betroffenen, die sich auf ihren Besitz oder ihre geschäftlichen Interessen in den USA beziehen, sollen blockiert werden können.

Nord Stream 2 kostet rund zehn Milliarden Euro. Die Leitung wird je zur Hälfte vom russischen Energieriesen Gazprom und den fünf europäischen Unternehmen OMV, Wintershall Dea, Engie, Uniper und Shell finanziert.

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